von Meike Nordmeyer
Ruhig thront sie am Groten Markt, die Sankt Peterskirche (Sint Pieterskerk) in Leuven. Dass das Gebäude auf der anderen Seite des Platzes ihr bei den Besuchern der Stadt immer erstmal die Show stiehlt, kann ihr nichts anhaben. Denn sie weiß, auch sie wird noch bemerkt werden und sie kann die Besucher in ihr Inneres locken, denn sie hat dort viel zu bieten. Der Blick der Touristen fällt freilich erstmal auf das Stadthuis, das Gotische Rathaus, dieses Schatzkästchen, dessen Fassade über und über mit gotischem Maßwerk, mit Figuren samt Baldachinen, schlanken Türmchen und Dachgauben verziert ist. Es ist eine Pracht, die jeden staunen lässt. Auch mir ging es natürlich so. Was stand ich fasziniert davor!
Der Blick für das Detail
Erst nach einer Weile fiel mein Blick auf die schönen schmalen Giebelhäuser, die sich neben dem Durchgang zur Naamsestraat an dem Platz aufreihen. Dann habe ich mich umgedreht und die Sankt Peterskirche in den Blick genommen. Das im 15. Jahrhundert errichtete Gebäude bildet freilich das größte an dem Platz und zählt zur Brabanter Spätgotik. Ihr Äußeres wirkt schlicht und erhaben durch die maßvollen Proportionen der Architektur. An der Außenseite sorgen die sieben Kranzkapellen des Chors für eine rhythmische Gliederung.
Der schlanke spitze Turm auf dem Dach, die sogenannte Laterne auf der Vierung, fällt sogleich ins Auge. Dieser wurde später ergänzt, er stammt aus dem Jahr 1726. Die ursprünglichen Pläne für die Kirche sahen vor, dass sie einen mächtigen dreiteiligen Turm, also einen mit drei Spitzen erhalten sollte. Für die mittlere Spitze war dabei eine Höhe von 170 Metern gedacht. Doch während der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass der Untergrund dafür zu instabil war. Auf einer Höhe von etwa 50 Metern wurde der Bau eingestellt. Nach mehreren Einstürzen des bis dahin gebauten Turms wurde dieser 1613 bis auf die Turmbasis abgerissen. So erinnert die deutlich erkennbar unvollendete Vorderseite der Kirche heute noch an die ehrgeizigen Pläne, mit denen man ganz offenbar zu hoch hinaus wollte.
Eintreten und staunen
Im Inneren besticht die Kirche durch einen hellen hohen Raum, der trotz der mächtigen Wände elegante Leichtigkeit ausstrahlt. Dann fällt auch gleich die markante Kanzel in dunklem Holz mit reichen Schnitzereien auf. Viele Schätze birgt die Kirche. Im Chorumgang ist ein Museum untergebracht, in dem sie bislang zu sehen waren, darunter Monstranzen und Kelche aus Edelmetallen und zudem 14 Gemälde flämischer Meister. Das Museum ist jedoch derzeit geschlossen wegen Renovierungsarbeiten. Denn in der Kirche hat man viel vor, um die Schätze bald noch viel besser zu präsentierten.
Altarbild von Dieric Bouts, für die Peterskirche einst geschaffen
Zwei herausragende Gemälde aus dem Bestand der Kirche stammen von dem Maler Dieric Bouts. Neben dem „Martyrium des heiligen Erasmus“ findet vor allem sein großes Altarbild „Das letzte Abendmahl“ besondere Beachtung. Es ist zwar nicht so weltberühmt wie der von Jan Van Eyck geschaffene Genter Altar, wird aber unter Kunstkennern ebenfalls hoch geschätzt. Das Reizvolle daran ist auch: In der Peterskirche lässt sich das Gemälde von Bouts an dem Ort betrachten, für den es im 15. Jahrhundert geschaffen wurde. Es ist derzeit nicht wie eigentlich üblich im Chorumgang platziert, sondern in einer vorderen Seitenkappelle, so dass es auch während der Renovierungsarbeiten der Kirche besichtigt werden kann.
Im Zentrum des Altarbilds von Bouts, also auf der großformatigen Mitteltafel, ist die Darstellung des letzten Abendmahls von Jesus mit seinen Jüngern zu sehen. Diese zeigt der Maler in einem üblichen Wohnraum seiner Zeit. Auch die anderen Szenen spielen in einem solchen Raum oder in ganz natürlicher Umgebung außerhalb, etwa auf einem Weg durch die hügelige Landschaft, und im Hintergrund ist städtische Bebauung zu sehen. Der Künstler bettet damit die Geschichten des Alten und Neuen Testamentes in eine realistische Szenerie ein und lässt sie damit und ebenso mit der plastischen Darstellung der Figuren vor dem Auge des Betrachters lebendig werden. Vor allem damit erweisen sich die Werke als modern und wegweisend für die damalige Zeit.
Eine Kapelle der Bierbrauer
Ich laufe weiter durch die Kirche, um den Raum und viele Details noch genauer zu erkunden, und Moment mal, das ist doch Hopfen, der da in Stein gemeißelt ist. Richtig, in der Stadt geht es eben auch ganz irdisch und süffig zu und deshalb gibt es hier auch eine Kapelle der Bierbrauer. Auch daran wird deutlich, dass die Braukunst in Leuven immer schon eine wichtige Rolle gespielt hat. (Siehe dazu diesen Artikel von mir über Leuven). Den Bierbrauern ging es offensichtlich wirtschaftlich sehr gut, denn die Kapelle ist mit Marmor verziert und nicht mit Holz, wie es sich an der ebenfalls vorhandenen Kapelle der Landwirte zeigt. Darauf macht mich Klara Rowaert vom M – Museum Leuven aufmerksam.
Eine neue Dimension der Ausstellung
Klara Rowaert berichtet mir von dem Vorhaben, das man mit der Renovierung in der Peterskirche umsetzen wird. Bei der Neueröffnung im Frühjahr wird das Museum Leuven, das für die Kunstschätze zuständig ist, eine ganz neue Ausstellungsgestaltung und eine innovative Begleitung mittels Mixed Reality (Virtual und Augmented Reality) präsentieren. Die Besucher können dann VR-Brillen bei ihrem Rundgang durch das Gebäude nutzen. Durch diese betrachten sie die Wirklichkeit mit einer zusätzlich hinzugefügten digitalen Ebene. Gezeigt werden ihnen nicht nur die Kirche, sondern auch andere bedeutende Punkte in der Stadt in alter Zeit. So können die realen in der Kirche ausgestellten Werke in der historischen Zeit, in der sie geschaffen wurden, erlebt werden. Damit wird die Stadtgeschichte vor dem Auge des Betrachters lebendig.
Und der Vorteil der Technologie ist: Sie lässt sich umsetzen, ohne baulich in die Architektur der Kirche eingreifen zu müssen. „An 12 verschiedenen Stationen wird etwas gestaltet“, erklärt Projektkoordinatorin Rowaert und sie verspricht „ein Besuchererlebnis, das alle Sinne anspricht“. Auch das Modell des dreiteiligen Turms wird an einer der Stationen zu sehen sein. Es zeigt, wie gigantisch hoch dieser einst geplant war. Es ist klar, auf die neue Ausstellung darf man gespannt sein! Sie wird noch ein Grund mehr, nach Leuven zu reisen.
Nach meinen ausgedehnten Besichtigungen in Leuven finde ich es nun sehr angenehm, dass ich es nicht weit habe zu meiner Unterkunft und sich diese passenderweise auch in historischem Gemäuer befindet. Ich laufe über den Groten Markt, dann weiter über den Oude Markt und darüber noch ein Stück hinaus und komme schon bald am Martin’s Kloosterhotel an. Der Gebäudekomplex eines einstigen Klosters wurde behutsam zu einem Hotel umgebaut. Viel von der alten Gebäudestruktur ist dort noch erhalten. Von meinem großzügigen Zimmer unterm Dach habe ich einen schönen Blick in eine alte Gasse von Leuven. Und für einen Spaziergang am Abend zum belebten Oude Markt habe ich es auch nicht weit. Das ist gut, denn dort kann ich in einer der zahlreichen Kneipen am Platz noch die Ergebnisse der traditionsreichen Braukunst dieser Stadt erkunden und ein wichtiges Sinneserlebnis ergänzen.
Infos zur Kirche, zu den Gemälden von Dieric Bouts und den Renovierungsarbeiten findet ihr hier.
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