Kulinarik

Antwerpen, Brügge, Flandern, Gent, Kulinarik

Von der Bohne zur Praline

Pralinen von Dominique Persoone

Reisejournalist Ben Roelants hat sich auf den Weg gemacht um herauszufinden was an Schokolade und Pralinen aus Belgien so besonders ist. In Brügge trifft er Julius Persoone, Spross des wohl berühmtesten belgischen Chocolatiers Dominique Persoone, und lässt sich durch die familiengeführte Schokoladenfabrik führen. Weiter geht es nach Antwerpen. Hier kann man in The Chocolate Nation alles Wissenswerte über Belgische Schokolade erfahren: Von der Herkunft und Verarbeitung der Bohnen über die Erfindung der Praline in Brüssel bis zur Entdeckung der pinken Ruby-Schokolade. Die Reise endet in Gent beim Meisterpatissier und -Chocolatier Joost Arijs, der Ben in seine Philosophie der Süßspeisen-Kreation einführt. Eine kulinarische Städtereise auf die ich euch in diesem Video gerne mitnehmen möchte.

Belgische Schokolade im Netz

Hat Ben euch Lust auf Belgische Schokolade und Pralinen gemacht? Hier habe ich euch ein paar Links zum Nachlesen zusammengestellt:

The Chocolate Line von Dominique Persoone und Sohn Julius https://www.thechocolateline.be/en/

Chocolate Nation – das größte belgische Schokoladenmuseum der Welt https://www.chocolatenation.be/de

Joost Arijs, Patissier und Chocolatier mit Auszeichnung https://joostarijs.be/

Brügge, Flandern, Kulinarik

Von Haute Cuisine bis Hausmannskost: Gregory Slembrouck

Er liebt den Duft von frisch gebackenem Brot und den Geschmack von Kreuzkümmel und hat bereits mit großen Köchen in der Küche gestanden: Gregory Slembrouck, Küchenchef im „Le Mystique“ in Brügge und einer der Flandern Kitchen Rebels. Zugegeben, er sieht alles andere als rebellisch aus. Aber er mischt, wie die anderen Mitglieder dieses Netzwerks junger Küchenchefs, derzeit die Gastroszene in Flandern auf. Ich wollte wissen, was Gregorys Küche so besonders macht, und habe dem 32-Jährigen in die Töpfe und auf die Teller geschaut.

Wer durch die Gassen der Brügger Innenstadt läuft, findet in einer ruhigen Seitenstraße, in der Niklaas Desparsstraat, das edle 4-Sterne-Hotel „Heritage“ mit dem „Le Mystique“ im Erdgeschoss. Der herrschaftliche Wohnsitz aus dem 19. Jahrhundert liegt nur einen Häuserblock nördlich vom trubeligen Marktplatz. So nobel wie das Hotel ist auch das Restaurant.  In diesem ebenso stilvollen Ambiente bewirtet Gregory seine Gäste. Und die kommen nicht nur aus dem Hotel, sondern auch von weiter weg. Schließlich hat sich der junge Küchenchef längt einen Namen in der Gastroszene über die Stadtgrenzen von Brügge hinaus gemacht. Wer in seinem Lokal einen Tisch bekommen möchte, sollte also unbedingt reservieren. Seit einigen Jahren ist das „Le Mystique“ auch vom Guide Michelin mit zwei Gabeln ausgezeichnet: „Qualitätsprodukte fachkundig zubereitet: einfach ein gutes Essen!“. Und der Michelin-Tester war – ebenso wie ich – schon von dem Flair des Restaurants begeistert: „Ein Abendessen im Le Mystique beginnt immer mit einem bewundernden Blick auf die ausgesprochen opulente und elegante geschichtsträchtige Dekoration“.

Unter den prachtvoll gestalteten Stuckdecken und funkelnden Kronleuchtern, zwischen den rot-grünen Wänden sitzt man hier auf samtroten Stühlen an mit bodenlangen Tischtüchern festlich gedeckten Tischen. Historisch, klassisch, gediegen, aber so farbenfroh, dass es zugleich auch modern wirkt. Das gilt auch für die Kreationen von Gregory Slembrouck, der mit einer eindrucksvollen Leichtigkeit und Bescheidenheit am Werk ist. Aber solch edles Ambiente ist dem Kitchen Rebel nicht neu, hat er doch zuvor im Sterne-Restaurant „Ter Leepe“ in Zedelgem gelernt, wie man Produkte und Geschmacksrichtungen spannend kombiniert. Und wie man Gerichte so kunstvoll anrichtet.

 „Ich kombiniere gerne erlesene regionale Zutaten und das Beste aus der belgischen Küche mit Aromen aus der ganzen Welt“, verrät er mir. Er zaubert die ungewöhnlichsten Gerichte, mal orientalisch oder asiatisch mit belgischem Touch, mal Hausmannkost mit edlem Wein. Und so serviert er etwa gebratene Langustine mit Pastinake und weißer Schokolade oder Huhn mit Schwarzwurzel und Trüffelsoße. Da ihm Frische und Qualitätsprodukte ganz wichtig sind, variieren seine Menus (die aus sieben Gängen bestehen) und seine A-la-carte-Gerichte je nach Jahreszeit. Gemüse, Fisch und Fleisch kauft er jeden Tag selbst ein. Und die Steinpilze sammelt er eigenhändig im Wald.  

Kaum zu glauben, dass der Grundstein für seine Karriere bereits vor rund zwanzig Jahren gelegt wurde: Als Dreizehnjähriger sollte er nach der Schule nicht allein zu Hause bleiben und ging daher jeden Mittag in das Restaurant seines Cousins. Schon nach kurzer Zeit stand sein Berufswunsch fest. Sein erstes selbstgekochtes Gericht, so verrät er, waren Spaghetti. Die kocht Gregory Slembrouck übrigens auch heute noch nach dem gleichen traditionellen Rezept und immer noch mit großer Begeisterung – die auch seine Gäste teilen. Ein Kitchen Rebell kann auch ganz schön bodenständig sein.

Mein Tipp: Wer es nicht ins „Mystique“ schafft, hat jedes Jahr im September die Gelegenheit, zumindest eine Kostprobe zu genießen. Beim Food-Festival Kookeet zeigen Küchenchefs aus Brügge, was sie auf der Pfanne oder im Topf haben. Auch Gregory Slembrouck beteiligt sich an der Aktion.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Sauerbier: Der Champagner unter den Bieren

Etwas wie Sauerbier anbieten – bei diesem Sprichwort denke ich ab sofort nicht mehr an Ladenhüter, sondern an eine ausgesprochen leckere regionale Spezialität aus Belgien. Bis zu meinem Besuch beim Brussels Beer Project im letzten Jahr hatte ich mit Bier nicht viel am Hut. Nun bin ich sogar zum ausgesprochenen Sauerbier-Fan geworden. Nach dem Genuss eines klassischen Kirschbiers bin ich auf den besonderen Geschmack gekommen. Das Kirschbier ist nur eine Variante des Sauerbiers, einer wichtigen Säule der weltberühmten belgischen Biervielfalt und Braukultur. Das belgische Bier zählt ja bekanntlich seit 2016 zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe der Menschheit. Aber was ist Sauerbier genau? Was macht es so besonders?  Um das herauszufinden, habe ich mich auf Spurensuche begeben.

Brasserie Cantillon – Cantillon Brouwerij, Musée Bruxellois de la Gueuze © visit.brussels, Jean-Paul Remy

Wie die Hefe ins Bier kommt

Zuerst habe ich mich in einer kleinen Familien-Brauerei in Brüssel schlau gemacht. Die Brasserie Cantillon in einer kleinen Straße im Stadtteil Anderlecht hat sich auf Sauerbier spezialisiert. Zugleich ist sie die einzige noch aktive Brauerei in Brüssel, die für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Hier kann man den Braumeistern bei der Arbeit über die Schulter schauen. Mit viel Leidenschaft und alles andere als bierernst erläutern diese auf Führungen die einzelnen Schritte des Brauprozesses. So lerne ich, dass Sauerbier seinen mehr oder weniger säuerlichen Ton durch die Infektion mit Milchsäure- oder anderen Bakterien oder bestimmten Hefen erhält. Und dass das, was anderen Brauern den Angstschweiß auf die Stirn treiben würde, bei der Spontangärung zum Konzept gehört: Bei dieser typisch belgischen Braumethode tauchen Mikroorganismen nämlich quasi unkontrolliert im Brauprozess auf. Hefe wird nicht durch menschliches Zutun zugesetzt, sondern durch eine offene Lagerung des Sudes aus der kühlen Umgebungsluft „eingefangen“. So kommt die Gärung spontan in Gang – daher der Name. Danach gärt Lambic über Wochen in offenen Bottichen, ehe eine oft Jahre dauernde Lagerzeit beginnt. Jetzt verstehe ich auch, warum Lambic zu den anspruchsvollsten und komplexesten Bierstilen der Welt zählt.

Artenkunde

Wenn dem Gärbottich noch Früchte wie Himbeeren, Pfirsiche oder Kirschen zugefügt werden, spricht man von Fruchtlambic. Die bereits erwähnte Kirschvariante gilt als die populärste dieser Sorte und hat mit „Kriek“ sogar einen eigenen Namen. Eine weitere Unterart des Lambic ist das Faro, ein junges Lambic, das mit Kandiszucker versetzt wird. Gueuze schließlich wird durch Vermischen von jungem, noch nicht komplett vergorenem und zwei bis drei Jahre altem Lambic hergestellt und erhält durch dieses Verfahren seine typische sauer-frische Note und den hohen Kohlensäuregehalt. Aufgrund dieser Qualitäten wird Geuze auch als Champagner unter den Bieren bezeichnet. Seit 1900 werden bei Cantillon Faro, Geuze und Kriek nach althergebrachter Methode gebraut. Dass sich der Brauerei mit ihrem “Geuze Museum“ lohnt, meine übrigens nicht nur ich; der Guide Michelin hat diese Sehenswürdigkeit sogar mit einem Stern ausgezeichnet.

Regional geschützt

Die am besten geeignete Mikroflora um Lambic zu brauen, findet man in der Luft im Südwesten von Brüssel. So sind Brüssel sowie das gleich hinter Brüssel beginnende Pajottenland und das Sennetal Zentrum des Sauerbiers. Der Name Lambic ist außerdem regional geschützt: Nur Bier, das in der Gegend um Brüssel gebraut wird, darf so genannt werden.

Oude Kriek, Lindemans

Tour the Geuze

In Beersel am Südrand von Brüssel setze ich meine Erkundungstour fort. Hier bietet das Besucherzentrum “De Lambiek” nicht nur Infos über die einzigartige Gärmethode. Man kann auch alte Sorten wie Oude Geuze, Oude Kriek und andere Regionalbiere direkt probieren. Im Anschluss mache ich mich auf den 16 Kilometer langen Lambic-Rundweg zu 14 verschiedenen Brauereien und „Stekerijen“ (Verschneider). 

 Da diese eigentlich nur alle zwei Jahre bei der „Tour the Geuze“ ihre Pforten für Besucher öffnen (das nächste Mal am 1. und 2. Mai 2021), freue ich mich sehr, dass die Brauer mir zumindest virtuell Einblick in die Orte und Braugeschichte der Region verschaffen. Ich lese die außen an den Brauereien angebrachten QR-Codes mit meinem Smartphone ein und bin „drin“.  

Brasserie Cantillon Brouwerij

Nach meiner persönlichen Beer-Experience ist mir klar: Belgische Bierkultur kann durchaus mit der Weinkultur mithalten. Das traditionell in Eichenfässern gereiftes Bier mit den unterschiedlichsten Farbnuancen, Geschmacksnoten und Gerüchen spricht eben nicht den sprichwörtlichen Bierzeltbesucher, sondern vor allem den Genießer an. Und ich frage mich, welches Sauerbier ich beim nächsten Mal kosten soll: Lieber grünes Walnuss-Lambic, das „degorgierte Méthode champanoise Lambic“ oder das im Holzfass gereifte Tripel mit Milchsäuregärung?

Flandern, Gent, Jan-Kai Vermeulen, Kulinarik

Die Veggie Kapitale Europas

Selbst die Fritten sind von morgen – Gent ist heute schon die Stadt der Zukunft: grün, in der City autofrei und fleischarm

von Jan-Kai Vermeulen

Kaffeepause in der Veggie Stadt Gent. Diese Ruhe. Und das mitten in einer Viertelmillionenstadt. Vor meinem Tisch nur das Surren der zahllosen Fahrräder. Schon die elektrische Tram eine Kreuzung weiter wirkt wie Ruhestörung. Seit April 2018 ist die Innenstadt von Gent autofrei – ausgenommen Anwohner, Taxis und Anlieferer (bis 12 Uhr). Ein SUV aus Aachen taucht an der Kreuzung auf, verunsichert, drehend, – nix wie weg. Dahinter wieder zwei örtliche Elektroradkuriere – einer ist fast als Liegerad konstruiert, mit geschätzt einem Kubikmeter Aufbau hinten. DHL steht drauf. Da passen viele Pakete rein.

© Stad Gent – Dienst Toerisme

Ja, erzählt mir Katalin vom Tourismusbüro, es habe „jahrelang Kampf“ wegen der Sperrungen gegeben. Auch in Gent war da die panische Angst der Händler, dass niemand mehr käme ohne Motorbrumm. „Aber am schlimmsten waren die Busunternehmer von außerhalb.“ Jetzt parken sie etwas außerhalb der red zone, mit Shuttle, und: es geht. Stärkste Kraft im Rathaus sind die Grünen, die agierten sehr clever: Sie überließen den Bürgermeisterposten einem Liberalen und können dafür umso mehr an der Verkehrswende arbeiten.

© Stad Gent – Dienst Toerisme

Gent ist Grün

Gent ist sehr grün, innerstädtisch befreit von der Geißel Automobil und – möglichst vegetarisch. Schon 2009 startete die Kampagne „Donnerstag = Veggietag“, begleitet von kostenlosen Kochkursen und Infokampagnen vor allem für Kids. Weniger Fleisch essen heißt: Weniger Abholzung für Rinderzucht und den Anbau vom Futtersoja, weniger Gülle, weniger CO2. Donnerstags gibt es in allen Genter Kitas, Schulen, in den Mensen der großen Uni und auch in den Kantinen für die 6.000 Stadtbediensteten nur vegetarische Kost. Ohne dass man fleischgierige Klagen höre, versichert mir Katalin. Das EU-Umweltbüro spricht von Gent als der „Vegetarier-Hauptstadt Europas“.

Veggie-Fritten

© Stad Gent – Dienst Toerisme

Und womit könnte man Umdenken in Belgien ernsthafter demonstrieren als mit Fritten? Nämlich mit Veggie-Fritten. In Gent gibt es mehr als ein Dutzend Frittenbuden, wo mit Pflanzenfett gebrutzelt wird (wie bei uns) und nicht mit dem in Belgien üblichen Rinderfett.

De Frietketel, © Stad Gent – Dienst Toerisme

Auf ins Frietketel, also den Frittenkessel, vielfach hochgelobt von Kunden als „beste Bude von ganz Flandern“ mit „Fritten zum Seligwerden“. Was für eine riesige kleine Portion! Das Fett schmeckt elementar frisch, die Stäbchen haben die perfekte Konsistenz, innen schmatzigweich und drumherum tatsächlich so knackig wie angeblich nur in Rindertalg möglich. Dazu die berühmte belgische Stoofvlees-Sauce, hier natürlich vegetarisch, zwiebelig und gewürzereich, so köstlich wie mit Fleischgeschmack. Erst pappensatt sehe ich, dass es hier auch vegetarische Bitterballen gibt.

Überall Fahrradkarawanen. Und völlig lautlos schnurrt ein blauer Elektro-Minibus vorbei, acht Sitze, Hop On Hop Off steht dran. Der kleine Kerl heißt Wandelbus. Drei davon kreiseln durch die City (Mo-Sa 10-23 Uhr), eine Spende der Stadt. Die Fahrten sind gratis. HopOn: ich surre ein Stück mit. Gent ist auch verkehrlich veggie.

Genusswelt im Biobauernmarkt

„Willkommen in der Wunderwelt BEO“ lockt mich ein Schild in einen Hofeingang. Das BEO gleich bei der Sint-Niklaas-Kerk ist ein holzfreundlicher, lichtdurchfluteter Biobauernmarkt mit kleinem Snack-Restaurant, der „Versbar“, was nichts mit Reimen zu tun hat, sondern Frischebar heißt. Hier kriege ich auch satt gleich wieder Appetit.

Gegenüber gibt es die hauseigenen Veggie-Fritten in der Friterie Tartaar. Nein, sage ich, ich möchte keine noch so kleine Portion, nur ein oder zwei einzelne Fritten bitte, zum Testen, verkosten. Komischer Gast, denkt der Fritteusist sicher und reicht mir ein paar. Sie schmecken ähnlich gut wie bei Frietketel: etwas fettiger, aber auch noch eine Nuance knackiger.

Moor & Moor in Gent, © Stad Gent – Dienst Toerisme

Später geht es zu Moor & Moor einen veganen homemade Kuchen essen, der Kaffee ist fairtrade: von der Abakundakawa-Plantage in Ruanda. Auch in chicen Restaurants wie dem Pakhuis gibt es das fleischlose Menu, zumindest donnerstags, etwa den Veggie Lunch, diese Woche ist es ein Spargelrisotto. Der Zweisternetempel Vrijmoed offeriert ein tierfreies Siebengängemenu („pur Grün“) und wurde 2018 zum zweitbesten Gemüserestaurant der Welt gekürt (nach einem katalonischen). Umstritten ist, wer in Gent die besten Veggie-Burger macht.

Ich fantasiere mir die Tiere in Gent grundglücklich zusammen: ein jegliches Schwein grunzt zufrieden bis ins Alter vor sich hin, das Geflügel gackert fröhlich ohne Legestress und auch die leckersten Lämmer sind tabu für Menschenzähne. Naja – man kann dem Getier auch in Gent durchaus an Rippen und Schinken. Es gibt sogar die Kategorie „5 beste Steak-Restaurants in Gent“. Aber selbst bei Gilles, dem edlen Monstersteakbräter, kann man Veggie of the day ordern.

Dinner im La Botaniste

La Botaniste, © Stad Gent – Dienst Toerisme

Der Höhepunkt meines Ausfluges in die grüne Biostadt mit ihren über 40.000 Studierenden wird das Dinner im Restaurant Le Botaniste, einer ehemaligen Apotheke, die bis unter die Decke vollgestellt ist mit alten Heilmitteldosen und Vorratsgläsern für das Restaurant.

Starter ist eine große Frische-Bowl: Blattsalat, dazu Marokko-Karotten mit leichtem Minztouch, Seaweed-Tartar, Humuscreme, ein himmlisches Rosinen-Zwiebel-Chutney, giftgrün das zauberleckere Erbsenmus, gedämpfte Gemüsestreifen – und alles mit immer neuen Gewürzexplosionen. Das ist Kochkunst! Wie banal ein gegrilltes Stück noch so zartes Fleisch ist! Hauptgang: Tibetan Mama Kokos-Curry auf knackfestem Naturreis, dazu noch ein Glas Bio-Rosè. Leider reichen die Magenkapazitäten nicht mehr für Pasta Il Mafioso.

Und ebenfalls leider: Ausgerechnet die nette Bedienung im Botaniste schimpft über die Autoaussperrung. Denn dadurch, erzählt sie mir, fahren jetzt durch die angrenzende Straße ihrer Wohnung „mindestens doppelt so viele Autos wie vorher“. Pech gehabt. Aber das Borderline-Wohnen wird aufhören, da sind wir uns einig, sobald die Verbotszone für die stinkenden Krachmaschinen ausgeweitet wird. 2025, hatte Katalin gesagt, „wollen wir Ökostadt Europas werden“.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Mechelen

Die Vleeshalle – der neue Foodmarkt in Mechelen

von Kirsten Lehnert

Mechelen war mir bisher vor allem bekannt durch das Museum Hof van Busleyden in dem prachtvollen Renaissancepalast, die königliche Teppichmanufaktur oder die Brauerei im Beginenhof. Seit meinem letzten Besuch in der Stadt kenne ich nun eine weitere Attraktion: Denn Ostern öffnete in der alten Fleischhalle ein wirklich schöner Foodmarkt seine Tore. Ich möchte Euch diesen neuen kulinarischen Hotspot im Herzen von Mechelen vorstellen.

© Visit Mechelen

Noch bevor ich den Duft der frisch gebackenen Focaccia oder der würzigen asiatischen Suppen in der Nase hatte oder auch nur einen Bissen an einem der vielen Stände probieren konnte, war ich schon begeistert. Allein die Location ist schon ein Genuss. Die Vleeshalle ist – wie der Name schon sagt – eine alte Fleischhalle. Mit Galerien über drei Etagen, von grünen gerundeten Stahlträgern gestützt und detailreich gestaltet. Durch die Glasfenster unter dem hölzernen Giebeldach scheint Tageslicht hinein. In der 1881 erbauten Markthalle verkauften früher die Mechelner Metzger ihre Ware. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gebäude immer mehr verfallen, 1967 wurden die Tore der Fleischhalle endgültig geschlossen.

Die Vleeshalle früher, © vleeshalle

Die Geschichte der Vleeshalle

Nach diversen Zwischennutzungen etwa als Veranstaltungsraum und Filmkulisse wurde die denkmalgeschützte Halle nun aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst. Veronique Smolders und ihr Partner Kevin Goos haben sich hier einen Traum verwirklicht und eine wirklich gelungene Mischung aus Markt, Lokalen, Shop und Büros geschaffen – in einem Ambiente, in dem man die Geschichte der Ortes wirklich noch spüren kann. Die Beiden haben als Organisatoren des berühmten Bierfestivals in Mechelen übrigens schon gezeigt, dass sie Genussprojekte erfolgreich umsetzen können.

© Visit Mechelen

Im Zentrum dieses hippen Foodmarktes findet ihr einen Barbereich, hier kann man sich gut niederlassen und einfach genießen. Drum herum tummeln sich 12 Anbieter von den unterschiedlichsten Köstlichkeiten. Italien, Vietnam, Mexiko, Spanien und Irland liegen hier eng beisammen. So könnt ihr mit kleinen Häppchen kulinarisch einmal um die ganze Welt reisen. Ihr findet Streetfood, Tapas, Wurstwaren, Burger, Käse, Patisserie, Fischgerichte, frische Säfte, Kaffee, Tee, Suppen. Wer mag, kostet die vietnamesischen Frühlingsrollen mit frischem Koriander, die Steven an seinem Stand “Bāmbū” anbietet. Elena peppt ihre Tapas nach den Rezepten ihrer Großmutter mit einem modernen Kick auf. Mich hat vor allem die handgemachte Guacamole von Karen vom “Alma Libre” umgehauen. Und die frischen Salate und Gemüse-Bowls bei “Urban Greens” sind schon fürs Auge ein Genuss.

Im Foodmarkt könnt ihr übrigens auch zahlreiche frische, hochwertige und viele regionale Produkte kaufen und zuhause selbst etwas daraus zaubern. Ich habe noch ein Schwätzchen mit Imker Johan gehalten und mir als Erinnerung dann ein Glas Honig mitgenommen.

Mehr als ein Foodmarkt

Und da Genuss nicht nur eine Sache für den Gaumen ist, könnt ihr in der Vleeshalle auch noch andere schöne Dinge kaufen. In den oberen Etagen etwa findet ihr bei Colorfool Möbel, Accessoires und Mode.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Küste

Lust auf Meer? Die belgische Küste und ihre besten Fischrestaurants

von Kirsten Lehnert

Ich bin ja schon durch viele romantische Städtchen in Flandern geschlendert und habe mich anschließend mit den leckersten regionalen Spezialitäten und den besonderen Varianten des Street Food verwöhnt. Neulich war mir dann mehr nach Meer und nach Sea Food. Was lag da näher, als einen Gastrotrip an die belgische Küste zu machen? Hier kann man den frischen Fang direkt mit Meerblick genießen.

Genussort mit Aussicht, der Küstenort Blankenberge © Toerisme Blankenberge, Westtoer

Ich habe mir ein paar der besten und kultigsten Fischlokale angeschaut und das ein oder andere Meeresfrüchtchen probiert. Mein Fazit: unbedingt empfehlenswert. Drei ganz unterschiedliche Lokale will ich hier vorstellen. Aber Vorsicht, der folgende Text könnte bei Genussmenschen akute Lust auf mehr/Meer auslösen und das dringende Bedürfnis, sofort an die Küste zu fahren…

Frischer Hummer ist eine der Spezialitäten im Restaurant Oesterput © Oesterput

Der Hummer ist der Hammer

Mein erster Tipp für die belgische Küste ist das „Oesterput“ in Blankenberge, ein Traditionslokal, das Piet Devriendt bereits in 4. Generation führt. Es liegt etwas versteckt im Hafengebiet in einer eher unscheinbaren Halle. Was 1885 als Großhandel für Fisch und Schalentiere begann, hat heute Kultstatus. Noch immer werden Fisch, Austern und Hummer von hier ins ganze Land geliefert. Piets Urgroßvater errichtete hier 1888 das erste mit frischem Meerwasser gefüllte Becken und züchtete selbst Austern. Im authentischen Ambiente der Lagerhalle könnt ihr an langen Tischreihen nun Austern bis zum Abwinken genießen. Frischer geht’s wohl kaum. Die Spezialität des Hauses ist aber Hummer und der ist – man verzeihe mir das Wortspiel – der Hammer! Zum Tagespreis und zum Reinlegen. Leuchtende Farbe, zartes Fleisch, authentische Atmosphäre. Dazu ein leckerer Weißwein. Das muss sein, bei aller Liebe für die belgische Bierkultur. Alle Speisen, von den Garnelen-Kroketten bis zu den Tomaten-Garnelen, werden nach alten Familienrezepten zubereitet. Wer keinen Platz im Lokal bekommt (reservieren kann man hier leider nicht), der kann Hummer, Meeresfrüchte und Austern auch außer Haus genießen.

Info: Oesterput, Wenduinse Steenweg 16, 8370 Blankenberge,
Tel: +32 50 41 10 3, www.oesterput.com

Authentisches Ambiente im Oesterput © Oesterput

Oh, wie schön!

Was dem einen sein Austernbecken ist dem anderen sein Fischteich. Ivan Puystiens hat seinen in der Mitte seines Lokals „Oh“ platziert. Ein schöner Blickfang in dem Restaurant, das an sich schon viel für‘s Auge zu bieten hat. Mein Tipp für Menschen, die nicht nur gute Fische-Küche mögen, sondern auch stylisches Ambiente. Neben dem originellen Interieur (der Name Oh verweist auf ‚Wasser‘ – und das findet ihr hier als Gestaltungsmerkmal auch an den Wänden) können sich auch die Gerichte sehen und schmecken lassen.

Das Auge isst mit im Oh Restaurant © Oh Restaurant

Ivan Puystiens, der wie Piet vom „Oesterput“ ein Kind der Küste ist und schon mit seinem Großvater Muscheln gesammelt hat, serviert hier regionale Produkte mit Einflüssen aus aller Welt. Ich habe die Langusten mit Chorizo, Chicorée und Limone getestet. Oh, wie lecker! Dazu gibt es im Oh natürlich nicht nur Wasser, sondern auch tolle Weine, darunter zahlreiche Bio-Weine, schließlich ist der Eigentümer zugleich Sommelier. Bei schönem Wetter könnt ihr das alles auf der Sonnenterrasse genießen. Nicht nur mir hat‘s geschmeckt, die Tester vom Gault Millau haben dem Oh 13,5 Punkte gegeben.

Info: Oh Restaurant, Koninklijke Baan 289, 8670 Sint-Idesbald, Tel: +32 58 52 05 72, www.ohrestaurant.be

Sonne und Sand satt im „Westhinder“ © Westhinder

Sand und Sonne

Mein absoluter Favorit, wenn ihr ein Fischrestaurant für eure Reise an die belgische Küste sucht, ist das „Westhinder“. Sowohl die Lage, als auch die Atmosphäre sind einfach einzigartig. Wenn ihr den gepflasterten Wanderweg von Wenduine Richtung De Haan bis zum Ende geht – das dauert etwa 20 Minuten – findet ihr die wohl coolste Strandbar in Belgien. Bis vor zwei Jahren stand hier noch eine schlichte schwarze Holzbude. Die ist einem schlichten aber stylischen Kubus aus Stein und Glas gewichen. In diesem ungewöhnlichen Strandimbiss, serviert Nadine Dewulf, die das Lokal an den Dünen seit mehr als 40 Jahren mit viel Liebe betreibt, ihre hausgemachten Krabbenkroketten und eine wirklich schmackhafte Fischsuppe. Zugegeben, das hat seinen Preis, aber allein die Lage ist unbezahlbar. Ihr könnt Euch natürlich auch einfach so auf die Terrasse setzen und Waffeln, Eis und den Blick auf Strand, Meer und Dünen genießen. Von Mai bis September ist es das Westhinder täglich geöffnet, außerhalb der Saison am Wochenende und an Feiertagen nur bei gutem Wetter.

Info: Chalet Westhinder, Westdijk, 8420 Wenduine, Tel: +32 50 41 58 55, www.westhinder.be  

Ein schöner Platz für den Fischgenuss im Freien: Die Terrasse am Oesterput © Oesterput

Habt Ihr Lust auf mehr Meer? Weitere Tipps zu Fischrestaurants rund um die belgische Küste findet ihr hier.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Mechelen

Als die Beginen zu brauen begannen

von Kirsten

Was haben die Beginen, Karl V. und Bier gemeinsam? Sie alle spielen eine Rolle in einer Geschichte aus Flandern. Ort des Geschehens ist Mechelen, das malerische flämische Städtchen mit seinen über 300 denkmalgeschützten Gebäuden – ein wahres Freilichtmuseum der Renaissance. Und die Geschichte beginnt an einem dieser besonders geschichtsträchtigen Plätze, dem Großen Beginenhof. Er zählt heute als einer von 12 Beginenhöfen in Flandern zum UNESCO-Weltkulturerbe. In dieser malerischen Anlage jedenfalls, bei der kleine Wohnhäuser samt Kapelle einen begrünten Innenhof umschließen, lebten die Beginen an der Grenze von Ordensleben und Laientum.

Das bessere Trinkwasser

Blick in den Beginenhof (c) Visit Mechelen, Koen Broos

Damals gab es hier auch ein Hospital und da das „Trinkwasser“ im Mittelalter bekannterweise selbst Gesunde umhauen konnte, begannen die hier lebenden Ordensschwestern 1471 damit, Bier zu brauen, um damit Kranke und Alte zu versorgen. Das gilt als die Geburtsstunde einer Brauerei, die heute zu den ältesten in Belgien zählt. So erklärt sich auch, warum die Brauerei, die heute eine der Attraktionen der Stadt ist, in der Krankenstraat – inmitten des Großen Beginenhofes – liegt.

Bier für Helden

Schon bald erweiterte die Brauerei ihre Kreise und braute 1491 ein Starkbier eigens für die Ritter, die sich aufmachten, das Goldene Fließ zu finden: das „Gouden Carolus Tripel“. Diesen Namen (Goldener Karl) erhielt es zu Ehren von Kaiser Karl IV, dem letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, der in den burgundischen Niederlanden geboren wurde und in Mechelen aufwuchs.

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Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Kim Devisschere – Back to the Roots

von Kirsten

Back to the Roots! Das sagte sich auch der junge belgische Sternekoch Kim Devisschere, nachdem er seine Kochkünste in den feinsten Restaurants erworben hatte. Das ganze Chi Chi, der ganze Trubel und vor allem die Atmosphäre und die Stimmung in den Sterne-Küchen waren nicht seine Welt. So entschied er sich, in Gent sein eigenes Restaurant aufzumachen, das „Roots“. Ich möchte euch den jungen Kitchen Rebell und seine Philosophie hier vorstellen.

Die Kitchen Rebels

Kim ist einer von mittlerweile über 50 Kulinarik-Rebellen, den jungen flämischen Spitzenköchen, die mit ihren kleinen, feinen Restaurants althergebrachte Konventionen der Haute Cuisine auf den Kopf stellen. Sie pfeifen auf piekfeine Kellner, luxuriöse Einrichtung, winzige Portionen für viel Geld. Stattdessen zeigen sie, dass es auch anders geht. Die „jungen Wilden“ bieten hervorragende Küche und tolle Geschmackserlebnisse in lässig-gediegenem Ambiente zu erschwinglichen Preisen. 

Kim Devisschere

Das Roots

In der Vrouwebroersstraat 5, einem der verwinkelten Gässchen des Genter Altstadtviertels Patershol, eröffnete Kim Devisschere im Januar 2016 das „Roots“. Aus dem Stand erhielt er dafür 14 Punkte im Gastroführer Gault & Millau. Da blieb keine Zeit zum Feiern, erinnert sich Kim heute. Schließlich sind die nur 25 Plätze in dem kleinen Lokal fast immer besetzt. Kein Wunder! Kim bietet das, was man neuzeitlich wohl „ehrliches Essen“ nennt: Fein angerichtete, kulinarisch raffinierte Gerichte, die aber zugleich absolut bodenständig sind und zu einem fairen Preis auf den robusten Holztisch kommen. Davon, dass hier nur frische Zutaten in Topf und Pfanne kommen, könnt ihr Euch bei einem Besuch sogar selbst überzeugen: Kim und sein junges Team lassen sich beim Arbeiten in der offenen Küche zuschauen.

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Antwerpen, Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Kultur, Neu auf dem Flandern-Blog

Die Chocolate Nation – Wie süß! Ein Museum zum Dahinschmelzen

von Kirsten

Kennt ihr den Film „Charly und die Schokoladenfabrik“? Ich war neulich in Antwerpen in einem neuen Museum, da musste ich unweigerlich an diesen Film denken. Nicht nur, weil sich hier alles um Schokolade dreht, sondern weil hier auch so herrlich verspielt-mechanisch gezeigt wird, wie Schokolade hergestellt wird. Schokoladenmuseen gibt es in Belgien ja schon ein paar. Aber die „Chocolate Nation“, die jetzt in Antwerpen eröffnet wurde, war selbst oder gerade für mich als Chocoholic ein besonderes Erlebnis. Und ich habe dabei sogar die Bekanntschaft mit Ruby gemacht – der Beginn einer sicher langen Freundschaft. Aber der Reihe nach:

Belgien ist ja bekanntlich Wiege und Herz der Schokoladenproduktion. Heute haben zwei der weltweit größten Schokoladenfabriken ihren Sitz in Belgien; Antwerpen ist einer der größten Importhäfen der Welt für Kakaobohnen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass man (auch und vor allem) in Antwerpen die Ergebnisse der Genussproduktion – ob maschinell oder handgemacht – an fast jeder Ecke probieren kann: Ihr findet hier Geschäfte von allen großen belgischen Schokoladenmarken und zahlreiche Chocolatiers bieten ihre von Hand gefertigten Genuss-Kreationen an.  

Das größte belgische Schokoladenmuseum der Welt

© Chocolate Nation
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Diamanten: In der Stadt der Steinchen haben sogar Pralinen geschmacklich fast 18 Karat

von Jan-Kai

Antwerp Central ist kein Bahnhofshalt sondern ein Haltebahnhof. Er hält einen mit magnetischen Kräften fest. Ich stehe in der Empfangshalle, hingerissen von so viel Pracht: Jugendstil über und über, aufwändig vor ein paar Jahren renoviert. Nur nackenfreundlich ist die Halle nicht, so viel gibt es oben unter der riesigen Kuppel zu entdecken. Bei weltweiten Rankings unter den Edelsteinen der Bahnhöfe landet Antwerpen verlässlich in den Top 10, mindestens.

Antwerp Central Bahmhof mit seiner beeindruckenden Halle

Unangefochten ganz oben im Ranking ist Antwerpen als Diamantenstadt. 84 Prozent aller Rohdiamanten weltweit werden hier gehandelt. Vom Bahnhof zu den Diamantenbörsen sind es nur ein paar Schritte. Ich erwarte Glitzer und Glamour. Aber rund um die Houveniersstraat könnte die Anmutung nicht gegenteiliger sein: schmucklose Nachkriegsbauten, teils zehnstöckig, alles zwischen grau und beige, Videokameras, Sicherheitspatrouillen, eine winzige Synagoge dazwischengequetscht.

Antwerpen – eine Stadt voller Highlights

In der City komme ich nicht vorwärts. Ständig Highlights. Rubens-Haus, das Muss. Die Rubens-Kirche mit ihrem bombastischen Altar, vom Meister selbst designt. Der senkrechte Schuhkarton mit Namen Museum aan Stroom oder MAS. Der Edel-Chocolatier Goosens mit seiner „atypischen Diamantenkollektion“ (15 Pralinées, 22 Euro), geschmacklich nah an 18 Karat. Ein Stück weiter der Juwelier, der den Mikroklunker von 0,02 Karat für 39 Euro als „Souvenir-Diamant“ feilbietet. Mit einem Döschen Pralinen als Zugabe.

Ein neues Museum rund um Diamanten

Im neuen DIVA, dem Diamanten-Museum, prallt man auf unzählige glitzernde Preziosen, die früher aus dem Orient, aus Japan oder Indien im Hafen ankamen, besonders in den „goldenen Jahren“ im 16. und 17. Jahrhundert: Gold- und Silberarbeiten mit Steinen aller Art, teils fein, teils monströs. Ich lausche einem Hörspiel, mühe mich im Quiz um Historie und Rekordmarken der Diamantenwelt und küre mein Lieblingsteil: Ein modern wirkendes Portraitdöschen von 1900 als Halskette, aus purem Gold mit einem Smaragd und zwei Diamanten. Verwirrend ist die häufige Bezeichnung Email an den Ausstellungsstücken. Haben die fortschrittlichen Antwerpener vor hunderten Jahren schon gemailt? Niederländisch Email heißt Emaille.

Eindrücke aus dem neuen Diamanten Museum in Antwerpen, © DIVA, Sven Coubergs

Diva bedeutet bestimmt abgekürzt Diamanten van Antwerpen, oder? Die Museumsführerin guckt mich erstaunt an. Gute Idee, sagt sie, aber eigentlich sollte der Name nur die Glamour-Assoziation zu Diven ausdrücken. Als Mann bin ich übrigens sehr allein hier, es schlendern weitmehrheitlich Frauen umher. Designt hat das Museum der Innenarchitekt Gert Voorjans, der davor Mick Jaggers Anwesen gestaltet hat. Auch ein anderer Promi ist indirekt vertreten: Ex-Tennisprofi Ivan Lendl. Beim „Diamond Meeting“ in Antwerpen war als PR-Gag für vier Siege in Serie ein diamantenbesetzter Tennisschläger aus sechs Kilogramm Gold ausgelobt – schafft eh keiner, dachte man. Lendls Quadruple gewann und er hat das mäßig schöne 80er-Jahre-Racket dann dem Museum gestiftet.

© Diamondland

Angefixt vom musealen Juwelismus sind die Gouden Straatjes nebenan ein idealer Ort, um das Portemonnaie zu meucheln. In diesen Goldenen Sträßchen haben sich 15 Goldschmiede und Schmuckdesigner in kleinen schmucken Ateliers niedergelassen. Manchen darf man bei der filigranen Arbeit zusehen. Die Schmuckstücke von Gerhild Kirchner und Nadine Wijnants haben mir am besten gefallen. Beide schaffen den gestalterischen Spagat: Voluminöse, fast wuchtige Ringe und Reifen, auf der Oberfläche filigran und fast zart gestaltet.

Geschmackssache, sicherlich. Verfeinern könnte ich mein ästhetisches Urteilsvermögen bei Designer Robb Zilla. Denn da kann man sogar Abendkurse belegen. Damit man nachher, wenn man das kleine samtausgelegte Kästchen bei Kerzenschein herüberschiebt, sagen kann: „Schatz, hab ich selbst gemacht für uns.“ Ein nettes Spiel für zwei in der Stadt der Steinchen ist übrigens der Wettbewerb: Wer entdeckt mehr Einheimische mit winzigen Diamantpiercings im Gesicht?

Am nördlichen Ende Antwerpens glitzert der größte Klunker. Hier hat die irakische Stararchitektin Zara Hadid auf das alte Hafen-Verwaltungsgebäude ein kühnes schräges Etwas gebaut. Es hat die Form eines Diamanten, der im Sonnenlicht blinkt und blitzt. 500 Menschen, lese ich, haben hier innerdiamantene Arbeitsplätze gefunden – Besichtigung leider nur für Gruppen und mit Voranmeldung.

Die Füße sind platt. Mit knapper Not wieder am Bahnhof, der aber ausgerechnet auf Züge keine magnetisierende Wirkung hat. 20 Minuten Verspätung. In Brussel Midi wird ein Sprint nötig zum Anschlusszug.