Leuven

Flandern, Kultur, Leuven, Meike Nordmeyer

Wenn Stadtgeschichte lebendig wird – Besuch in der Peterskirche in Leuven

von Meike Nordmeyer

Ruhig thront sie am Groten Markt, die Sankt Peterskirche (Sint Pieterskerk) in Leuven. Dass das Gebäude auf der anderen Seite des Platzes ihr bei den Besuchern der Stadt immer erstmal die Show stiehlt, kann ihr nichts anhaben. Denn sie weiß, auch sie wird noch bemerkt werden und sie kann die Besucher in ihr Inneres locken, denn sie hat dort viel zu bieten. Der Blick der Touristen fällt freilich erstmal auf das Stadthuis, das Gotische Rathaus, dieses Schatzkästchen, dessen Fassade über und über mit gotischem Maßwerk, mit Figuren samt Baldachinen, schlanken Türmchen und Dachgauben verziert ist. Es ist eine Pracht, die jeden staunen lässt. Auch mir ging es natürlich so. Was stand ich fasziniert davor!

Das reich verzierte gotische Stadthuis, das Rathaus von Leuven, zieht am Groten Markt erstmal alle Blicke auf sich. Foto: © Meike Nordmeyer

Der Blick für das Detail

Erst nach einer Weile fiel mein Blick auf die schönen schmalen Giebelhäuser, die sich neben dem Durchgang zur Naamsestraat an dem Platz aufreihen. Dann habe ich mich umgedreht und die Sankt Peterskirche in den Blick genommen. Das im 15. Jahrhundert errichtete Gebäude bildet freilich das größte an dem Platz und zählt zur Brabanter Spätgotik. Ihr Äußeres wirkt schlicht und erhaben durch die maßvollen Proportionen der Architektur. An der Außenseite sorgen die sieben Kranzkapellen des Chors für eine rhythmische Gliederung.

Der schlanke spitze Turm auf dem Dach, die sogenannte Laterne auf der Vierung, fällt sogleich ins Auge. Dieser wurde später ergänzt, er stammt aus dem Jahr 1726. Die ursprünglichen Pläne für die Kirche sahen vor, dass sie einen mächtigen dreiteiligen Turm, also einen mit drei Spitzen erhalten sollte. Für die mittlere Spitze war dabei eine Höhe von 170 Metern gedacht. Doch während der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass der Untergrund dafür zu instabil war. Auf einer Höhe von etwa 50 Metern wurde der Bau eingestellt. Nach mehreren Einstürzen des bis dahin gebauten Turms wurde dieser 1613 bis auf die Turmbasis abgerissen. So erinnert die deutlich erkennbar unvollendete Vorderseite der Kirche heute noch an die ehrgeizigen Pläne, mit denen man ganz offenbar zu hoch hinaus wollte.

Der hohe, lichtdurchflutete Innenraum der Sankt Peterskirche in Leuven. Foto: © Meike Nordmeyer

Eintreten und staunen

Im Inneren besticht die Kirche durch einen hellen hohen Raum, der trotz der mächtigen Wände elegante Leichtigkeit ausstrahlt. Dann fällt auch gleich die markante Kanzel in dunklem Holz mit reichen Schnitzereien auf. Viele Schätze birgt die Kirche. Im Chorumgang ist ein Museum untergebracht, in dem sie bislang zu sehen waren, darunter Monstranzen und Kelche aus Edelmetallen und zudem 14 Gemälde flämischer Meister. Das Museum ist jedoch derzeit geschlossen wegen Renovierungsarbeiten. Denn in der Kirche hat man viel vor, um die Schätze bald noch viel besser zu präsentierten.

Das Altarbild „Das letzte Abendmahl“ von Dieric Bouts ist in der Peterskirche in Leuven zu sehen und damit in dem Gebäude, für das es im 15. Jahrhundert geschaffen wurde. Foto: © Rudi Van Beek / M – Museum Leuven PLAATS : Leuven

Altarbild von Dieric Bouts, für die Peterskirche einst geschaffen

Zwei herausragende Gemälde aus dem Bestand der Kirche stammen von dem Maler Dieric Bouts. Neben dem „Martyrium des heiligen Erasmus“ findet vor allem sein großes Altarbild „Das letzte Abendmahl“ besondere Beachtung. Es ist zwar nicht so weltberühmt wie der von Jan Van Eyck geschaffene Genter Altar, wird aber unter Kunstkennern ebenfalls hoch geschätzt. Das Reizvolle daran ist auch: In der Peterskirche lässt sich das Gemälde von Bouts an dem Ort betrachten, für den es im 15. Jahrhundert geschaffen wurde. Es ist derzeit nicht wie eigentlich üblich im Chorumgang platziert, sondern in einer vorderen Seitenkappelle, so dass es auch während der Renovierungsarbeiten der Kirche besichtigt werden kann.

Im Zentrum des Altarbilds von Bouts, also auf der großformatigen Mitteltafel, ist die Darstellung des letzten Abendmahls von Jesus mit seinen Jüngern zu sehen. Diese zeigt der Maler in einem üblichen Wohnraum seiner Zeit. Auch die anderen Szenen spielen in einem solchen Raum oder in ganz natürlicher Umgebung außerhalb, etwa auf einem Weg durch die hügelige Landschaft, und im Hintergrund ist städtische Bebauung zu sehen. Der Künstler bettet damit die Geschichten des Alten und Neuen Testamentes in eine realistische Szenerie ein und lässt sie damit und ebenso mit der plastischen Darstellung der Figuren vor dem Auge des Betrachters lebendig werden. Vor allem damit erweisen sich die Werke als modern und wegweisend für die damalige Zeit.

Eine Kapelle der Bierbrauer

Ich laufe weiter durch die Kirche, um den Raum und viele Details noch genauer zu erkunden, und Moment mal, das ist doch Hopfen, der da in Stein gemeißelt ist. Richtig, in der Stadt geht es eben auch ganz irdisch und süffig zu und deshalb gibt es hier auch eine Kapelle der Bierbrauer. Auch daran wird deutlich, dass die Braukunst in Leuven immer schon eine wichtige Rolle gespielt hat. (Siehe dazu diesen Artikel von mir über Leuven). Den Bierbrauern ging es offensichtlich wirtschaftlich sehr gut, denn die Kapelle ist mit Marmor verziert und nicht mit Holz, wie es sich an der ebenfalls vorhandenen Kapelle der Landwirte zeigt. Darauf macht mich Klara Rowaert vom M – Museum Leuven aufmerksam.

Eine neue Dimension der Ausstellung

Klara Rowaert berichtet mir von dem Vorhaben, das man mit der Renovierung in der Peterskirche umsetzen wird. Bei der Neueröffnung im Frühjahr wird das Museum Leuven, das für die Kunstschätze zuständig ist, eine ganz neue Ausstellungsgestaltung und eine innovative Begleitung mittels Mixed Reality (Virtual und Augmented Reality) präsentieren. Die Besucher können dann VR-Brillen bei ihrem Rundgang durch das Gebäude nutzen. Durch diese betrachten sie die Wirklichkeit mit einer zusätzlich hinzugefügten digitalen Ebene. Gezeigt werden ihnen nicht nur die Kirche, sondern auch andere bedeutende Punkte in der Stadt in alter Zeit. So können die realen in der Kirche ausgestellten Werke in der historischen Zeit, in der sie geschaffen wurden, erlebt werden. Damit wird die Stadtgeschichte vor dem Auge des Betrachters lebendig.

Und der Vorteil der Technologie ist: Sie lässt sich umsetzen, ohne baulich in die Architektur der Kirche eingreifen zu müssen. „An 12 verschiedenen Stationen wird etwas gestaltet“, erklärt Projektkoordinatorin Rowaert und sie verspricht „ein Besuchererlebnis, das alle Sinne anspricht“. Auch das Modell des dreiteiligen Turms wird an einer der Stationen zu sehen sein. Es zeigt, wie gigantisch hoch dieser einst geplant war. Es ist klar, auf die neue Ausstellung darf man gespannt sein! Sie wird noch ein Grund mehr, nach Leuven zu reisen.

Im historischen Gemäuer übernachten: Ein altes Kloster wurde zu Martin’s Kloosterhotel umgestaltet. Foto: © Meike Nordmeyer

Nach meinen ausgedehnten Besichtigungen in Leuven finde ich es nun sehr angenehm, dass ich es nicht weit habe zu meiner Unterkunft und sich diese passenderweise auch in historischem Gemäuer befindet. Ich laufe über den Groten Markt, dann weiter über den Oude Markt und darüber noch ein Stück hinaus und komme schon bald am Martin’s Kloosterhotel an. Der Gebäudekomplex eines einstigen Klosters wurde behutsam zu einem Hotel umgebaut. Viel von der alten Gebäudestruktur ist dort noch erhalten. Von meinem großzügigen Zimmer unterm Dach habe ich einen schönen Blick in eine alte Gasse von Leuven. Und für einen Spaziergang am Abend zum belebten Oude Markt habe ich es auch nicht weit. Das ist gut, denn dort kann ich in einer der zahlreichen Kneipen am Platz noch die Ergebnisse der traditionsreichen Braukunst dieser Stadt erkunden und ein wichtiges Sinneserlebnis ergänzen.

Infos zur Kirche, zu den Gemälden von Dieric Bouts und den Renovierungsarbeiten findet ihr hier.

Mehr über Leuven lesen:
Leuven als Universitätsstadt und Bierstadt

Flandern, Kultur, Leuven, Meike Nordmeyer

Wissensdurst in der Bierstadt – die Universität in Leuven

von Meike Nordmeyer

Ein Palast für die wissenschaftlichen Bücher – die Bibliothek der Universität in Leuven (oder auch Löwen) macht wirklich was her. Das prächtige Gebäude im flämischen Renaissance-Stil mit Giebeln, Gauben und Statuen erhält durch den 87 Meter hohen Glockenturm zusätzliche Bedeutung. Es thront wirkungsvoll am östlichen Rand des Monseigneur Ladeuzeplein, einem weiten, leeren Platz. Ich staune, während mir Luc Philippe, mein Guide für meine Fahrradtour durch Leuven, an diesem Platz von der langen und wechselvollen Geschichte der Universität in dieser Stadt und insbesondere von diesem Bibliotheksgebäude erzählt.

Die Geschichte der Universität in der flämischen Stadt reicht weit zurück. Im Jahr 1425 wurde die Universität auf Bitten des Herzogs Johann IV. vom Papst Martin V. gegründet. Diese Tradition besteht in der heutigen Katholischen Universität Leuven fort, das macht sie zur ältesten der noch bestehenden katholischen Universitäten der Welt, so verkündet es stolz eine Broschüre des Stadtmarketings. Heute nennt sie sich Associatie KU Leuven, denn sie besteht als ein Zusammenschluss von fünf Hochschulen und einer Universität. Insgesamt sind rund 103.000 Studierende eingeschrieben.

Beeindruckende Architektur

Trotz dieser langen Geschichte stammt das Gebäude der Bibliothek nicht aus der Gründungszeit, wie man bei seinem Anblick meinen könnte. Es wurde ab 1921 nach Plänen des amerikanischen Architekten Whitney Warren im historisierenden Stil nach Art der flämischen Renaissance gebaut und dabei auch als Kriegsmahnmal ausgestattet. Der Hintergrund dafür: Die deutschen Truppen, die im August 1914 in Leuven einfielen, setzten die damalige Universitätshalle an der Naamsestraat und die jahrhundertealte Bibliothek sowie weite Teile der Stadt in Brand. Mehr als 300.000 Bücher gingen damals verloren. Die Empörung über diese Zerstörung war groß, nicht nur in Belgien.

Noch während des Krieges sammelten Unterstützungskomitees in den verbündeten und neutralen Ländern Geld und Bücher für den Wiederaufbau der Universitätsbibliothek. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde vor allem mit amerikanischer Unterstützung das große Gebäude am Ladeuzeplein als neue Bibliothek errichtet.

Zur Universitätsbibliothek von Leuven gehört dieser fein ausgestaltete Lesesaal. © Meike Nordmeyer

Seine Fassade wurde mit zahlreichen Bildhauerarbeiten ausgestattet und diese erinnern an die Kriegszeiten, an den Brand 1914 und ebenso an die Solidarität der Verbündeten in dieser Zeit und an ihre Hilfe beim Wiederaufbau. Ein triumphierender Charakter wurde dabei durchaus mit angelegt, wenn etwa die große mit Helm und Rüstung ausgestattete Madonnafigur den preußischen Adler mit ihrem Schwert durchbohrt. 1921 war die Grundsteinlegung, 1928 wurde die Bibliothek neu eröffnet. Doch wenige Jahre später wütete wieder ein Krieg. Während des Einfalls der deutschen Armee im Mai 1940 ging das Gebäude erneut größtenteils in Flammen auf. Die Schäden waren diesmal noch verheerender, 900.000 Bücher wurden ein Opfer des Feuers. Nach dem Wiederaufbau konnte die Bibliothek erst 1951 wieder bezogen werden.

Heute steht das Bauwerk stolz und prächtig da und mahnt an die grauenhafte Zerstörung von zwei Weltkriegen. Der Gebäudekomplex kann besichtigt werden und das lohnt sich, denn dazu gehört ein Einblick in den schmucken Großen Lesesaal, und mit einem zusätzlichen Ticket ist auch der Aufstieg auf den Turm möglich, von dem sich ein hervorragender Blick über die Stadt bietet.

Vom Turm der Universitätsbibliothek bietet sich ein hervorragender Blick über die Dächer von Leuven.
© Meike Nordmeyer

Eine Bibliothek mit Aussicht

Einen Aufzug gibt es im Turm übrigens nicht, da müssen die vielen Stufen hinauf schon tapfer erklommen werden. In den kleinen Räumen auf jeder Etage im Turm ist etappenweise eine Ausstellung zu den Kriegszeiten, zu Zerstörung und Wiederaufbau des Gebäudes eingerichtet, viele historische Fotos und Dokumente sind dazu abgebildet. Diese interessanten Infotafeln bieten eine gute Gelegenheit, sich auf jeder Etage vom Treppensteigen etwas auszuruhen und zu lesen. Und so kommt man gut informiert immer weiter nach oben. Dort gibt es dann den weiten Blick über die Dächer der Stadt zu genießen. Gut zu sehen sind von dort auch die schlanken, reich verzierten Türmchen des gotischen Rathauses und die Sint Pieterskerk am Grote Markt.

Natürlich gibt es noch viel mehr zu sehen von der KU Leuven, denn die Gebäude der zugehörigen Hochschulen und Universitäten sind über die ganze Stadt verteilt. Luc radelt schon bald mit mir weiter, um mir einen Eindruck davon zu geben. Dabei fahren wir auch in Stadtteile, die herrlich im Grünen liegen. Da stehen wir auf einmal in einer parkähnlichen Anlage und schauen auf Schloss Arenberg, das sich auf einer weiten Rasenfläche präsentiert. Das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert ist auch ein Teil der Universität.

Das Schloss Arenberg

Die Domäne Arenberg wurde mitsamt dem Schloss im 17. Jahrhundert Eigentum der Herzöge von Arenberg, einer deutschen Familie, die Kunst und Wissenschaft vielfach förderte. 1916 schenkte sie das Schloss zusammen mit dem 29 ha großen Park der KU Leuven. Das schmucke Gebäude beherbergt heute die Fakultät Ingenieurswissenschaften und ist der Mittelpunkt eines grünen Campus‘ für die Wissenschaft & Technologie-Gruppe. Dazu gehört beispielsweise auch das Imec, das größte europäische Forschungszentrum im Bereich der Nanoelektronik und der Nanotechnologie.

Schloss Arenberg gehört auch zur Universität von Leuven.
© Meike Nordmeyer

Alte Gebäude und moderne Wissenschaft also, eine bewährte Kombi. Und was zu einer Uni-Stadt natürlich auch gehört, sind reichlich Kneipen – auch da erweist sich die Stadt als rekordverdächtig. Leuven gilt als Hauptstadt der Bierregion Flämisch-Brabant. Die größte Brauereigruppe der Welt, Anheuser-Busch InBev, hat dort ihren Hauptsitz. Sie produziert auch das international bekannte, einst in Leuven kreierte Stella-Artois-Bier. Passend dazu gibt es in Leuven eine besonders hohe Anzahl an Kneipen, in denen das süffige Getränk ausgeschenkt wird. Bei schönem Wetter, das zum Draußensitzen einlädt, wirkt der von alten Giebelhäusern gesäumte Oude Markt wie eine einzige riesige Terrasse. Denn er ist von mehr als 40 Kneipen umgeben, deren Gäste sich dort zusammenfinden.

„Die längste Theke Europas“

So kommt es auch, dass dieser Platz als „die längste Theke Europas“ bezeichnet wird. Moment mal, das kommt mir doch als Besucherin aus Nordrhein-Westfalen sehr bekannt vor. Auf meinen Hinweis, dass die Stadt Düsseldorf für sich reklamiere, die längste Theke der Welt zu sein, ist man vorbereitet. Luc nickt und grinst: „Ja, davon haben wir natürlich schon gehört. Da befinden wir uns doch in guter Gesellschaft“, sagt er, während wir zum Ende unserer Runde die Fahrräder abstellen und in einer der Kneipen am Ladeuzeplein auf ein Bier einkehren – das süppeln wir mit Blick auf die Universitätsbibliothek mit ihren tausenden Büchern.

Am Vormittag und bei trübem Wetter ist am Oude Markt noch nicht so viel los. Das kann sich aber schnell ändern.
© Meike Nordmeyer
Flämische Meister, Flandern, Kirsten Lehnert, Kultur, Leuven, Neu auf dem Flandern-Blog

Adel verpflichtet – Leuven präsentiert die Arenbergs!

von Kirsten

Kennt ihr eigentlich Leuven, das malerische Universitätsstädtchen in Flandern? Vielleicht habt ihr ja schon mal vor dem wohl schönsten gotischen Rathaus der Welt gestanden, oder ihr habt im Leuvener Kruidtuin, dem ältesten botanischen Garten Belgiens, die Pflanzenvielfalt bestaunt? Aber wusstet ihr auch, dass Leuven seine eigenen „Royals“ hat? In den nächsten Monaten macht die Stadt mit zwei großen Ausstellungen und einem Rahmenprogramm eine ihrer bedeutendsten Familien wieder lebendig: die Arenbergs. Eine Adelsdynastie, die in den vergangenen Jahrhunderten unverkennbar Leuven, Belgien und Europa geprägt hat.

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Antwerpen, Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Leuven

Haute Dogs – Was Foodies Marlon Brando zu verdanken haben

von Kirsten

Als ich das letzte Mal in Flandern war, bin ich auf den Hund gekommen, und zwar einen ganz besonderen: den Haute Dog. Vielleicht habt ihr schon von diesem neuen Foodtrend gehört. Denn nicht nur Burger und Fleischbällchen kann man auch ganz anders, also mit frischen Zutaten, gesund und lecker herstellen, sondern auch Hot Dogs. Der Klassiker des Fastfoods erlebt gerade eine Renaissance, oder sagen wir besser: er wird ganz neu erfunden. Gourmet-Hotdogs sind zur Zeit der Renner auf Streetfood-Festivals, sie begeistern Foodies auf der ganzen Welt. Flandern ist hier ganz weit vorn, schließlich gibt es hier schon ein Restaurant, das Würst, das sich ausschließlich den ‘Haute Dogs’ widmet.

Wenn ihr einmal, wie ich eine der ungewöhnlichen Variationen bei Würst probiert habt, werdet ihr künftig bei Ikea am Ausgang nur noch milde lächeln und am Hot Dog-Stand kopfschüttelnd vorbeischlendern. Denn statt Wurst, Gurke und Ketchup kommen im Würst auch mal ganz andere Zutaten auf das Brötchen, wie zum Beispiel Pulled beef, Relish, Jalapeños, Ruccola oder Avocadocreme. Das hat mit Fastfood nicht mehr viel zu tun. So kommt bei Würst sicher jeder auf seinen Geschmack. Auf der Karte findet ihr alle möglichen Varianten vom „Dog Monsieur“ über den „Bacon Bearnaise“  bis zum „Memphis Soul“. Natürlich gibt es auch den klassischen Hot Dog, also fast: Der „Classig Dog“ wird mit Sauerkraut gereicht. Alle Kreationen gibt es auch glutenfrei und als Veggie-Version.

Haute Dog Mexico (c) Piet de Kersgieter

Die Idee für das Würst kam Jeroen Meus übrigens nach einer Folge seiner Fernsehkochshow „Plat Preféré“. In jeder Episode reiste Meus in das ehemalige Zuhause einer verstorbenen Berühmtheit, um das Lieblingsgericht dieser Persönlichkeit in Gesellschaft von Familienmitgliedern oder Freunden zu kochen. So kam es, dass er einen Hot Dog zu Ehren von Marlon Brando zubereitete. Seitdem hatte der Koch den großen Wunsch, eine raffiniertere und reinere Version des klassischen Snacks zu kreieren. Zurück in Leuven begeisterte er Filip Rondou, den besten Metzger der Stadt, von seiner Vision. Gemeinsam entwickelten sie die perfekte Wurst für Würst. Anschließend ließ sich Meus in der Biobäckerei De Trog in die Handwerkskunst des perfekten Brötchenbackens einführen und schuf die zu den Haute Dog Rezepten passenden Brotsorten. Bereits 2015 öffnete in Leuven das erste Würst- Restaurant, 2016 kam eine Filiale in Gent dazu. Mittlerweile gibt es noch einen Ableger in Antwerpen.

Mein Tipp: Lasst Euch im Würst einfach mal einen Haute Dog auf der Zunge zergehen. Am besten in Leuven, denn das bietet sich gerade eh für eine Genusstour an. Denn jedes Jahr Anfang August (so auch am 5. August 2018) stellt Leuven beim Foodfestival Hapje-Tapje sein kulinarisches Angebot vor. An diversen Ständen auf dem Oude Markt bieten Restaurants in Leuven kleine Häppchen. Da könnt ihr nach Herzenslust naschen und probieren und dabei auch viele Spezialbiere kosten. Und am Nachmittag geht’s um die Wurst, Quatsch um den Spaß, wenn die Barmänner und -frauen beim traditionellen Barkeeper-Race um die Wette rennen.

 

Antwerpen, Brüssel, Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Leuven

Wim Ballieu – der Meister der belgischen Streetfood-Kultur

von Kirsten

Warum heißen Pommes Frites im Englischen eigentlich „French Fries“? Das ist Wim Ballieu vollkommen unverständlich. Wenn überhaupt müssten sie „Belgian Fries“ heißen, meint er. Stimmt, würde ich hinzufügen, denn nirgendwo sonst wird die Fritten-Kultur so gelebt wie in Belgien. Fritten sind sowas wie der Streetfood Inbegriff. Und in Flandern gibt es einen Koch, der ist so etwas wie der Streetfood-Bocuse (wenn man dann schon Frankreich ins Spiel bringen will). Grund genug, ihn hier einmal genauer vorzustellen.

Der Balls & Glory Foodtruck im Einsatz

Für den 36-jährigen Küchenchef sind Pommes Frites zwar Streetfood (und das schon lange bevor es den Namen überhaupt gab), aber eben kein Fast Food, sondern Ausdruck einer ausgeprägten Genusskultur. Authentisch, natürlich, handgemacht und in Ruhe zubereitet – also eigentlich sogar Belgian Slow Food. Das ist die Mission von Wim. Er liebt Fritjes, hat sich aber auf eine andere Spezialität verlegt: Seit 2012 bereitet er in seinen Restaurants und seinem eigenen Streetfood-Truck einfache, schmackhafte flämische Gerichte in einem neuen Gewand zu. Vergesst alle die Fleischbällchen, die ihr je an irgendwelchen Automaten gezogen habt.

Und seid gespannt auf einen unvergleichlichen Genuss: „Balls & Glory“ (der Name ist Programm!) könnt ihr in Gent, Antwerpen, Brüssel und Leuven und am Food-Truck kosten, der bei diversen Stadtfesten Station macht. (Termine)

In Video erklärt Wim genauer, welche Philosophie dahinter steckt. Seine Großeltern betrieben einen Bauernhof, seine Eltern eine Metzgerei. Wim wollte etwas Neues machen, etwas Moderneres, wie er sagt, und lernte Kochen auf hohem Niveau. Doch der ausgebildete Profikoch verabschiedete sich schnell wieder von der exklusiven Gastronomie und besann sich auf seine Wurzeln: Für ihn darf gutes Essen eben nicht elitär sein. Im Gegenteil: „Gutes Essen ist ein Grundrecht“, sagt er. Und so machte es sich Wim zum Ziel, ein Stück Farm der Großeltern in die pulsierenden Städte Flanderns zu bringen. Streetfood, so sagt Wim Ballieu, gibt es ja eigentlich seit es Straßen gibt. „Ich möchte einfach eine Kultur auf die Straße bringen – eine Kultur, die mehr zu bieten hat, als man denkt: Esskultur“. Und das gelingt ihm ziemlich gut. Wer schon mal bei ihm gegessen hat, der weiß, was ich meine: Seine handgemachten Fleischbällchen sind einfach Kult!

Vier Sorten gibt es jeden Tag zur Auswahl. Auch hier legt Wim die Messlatte hoch. Er verwendet nur frische Zutaten aus der Region und hat natürlich auch vegetarische Bällchen im Angebot. „Wir leben und kochen mit den Jahreszeiten“, erklärt Wim Ballieu. Jedes Jahr kreiert er neue Kollektionen mit den saisonalen Produkten: Die Füllungen reichen von klassischen Varianten wie „Tomate“ oder „Liegeoise“ bis zu eher ungewöhnlichen Kombinationen wie „schwarze Oliven & Anchovies“ oder mit getrockneten Tomaten, Chicorée oder Apfelkompott – Wims persönlicher Favorit ist übrigens das Rhabarber-Bällchen.  Egal, womit die Bällchen gefüllt sind, jedes wird 27 Minuten im Heißluftofen gebacken – auch eine Version von Fast Food in der Slow-Food-Ausführung.

Also, nichts wie hin und bei Eurem nächsten Flandern-Trip und Balls & Glory genießen! Und wenn ihr dann noch nicht satt seid, dann könnt ihr ja – so der Tipp von Wim – nur wenige Häuser entfernt von der Brüsseler Dependance des Balls & Glory die French Fries im „Fritland“ probieren. Man munkelt, das seien die besten in ganz Belgien. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte …

Wim isst belgische Fritjes am liebesten aus der Tüte.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Leuven

The place to beer – Ein Prost auf Leuven!

von Kirsten

Die Stadt mag klein sein, aber in Sachen Bier ganz groß! Nur rund 100.000 Menschen leben in Leuven, 20 Kilometer östlich von Brüssel, aber in ihren Adern – so denke ich – muss gelbes Blut fließen. Schließlich kommt man in der heimlichen Bierhauptstadt der Welt am Genuss von Gerstensaft kaum vorbei. Gerade im April ist es wohl schier unmöglich, denn dann ist Leuven wieder „the place to beer“! Und den möchte ich heute hier vorstellen.

Jedes Jahr pilgern Bierfans aus aller Welt nach Flandern. Und das zu Recht, denn an den Bierwochenenden in Leuven (die hießen bis letztes Jahr „Biermonat Leuven“) kann man belgische Braukunst bis zum Abwinken genießen. Ihr könnt große Bierevents besuchen oder an Kneipentouren, Bier-Wanderungen, Seminaren und Verkostungen teilnehmen und bekommt einen Eindruck von der Vielfalt und Geschichte der belgischen Biere. Und die ist weltweit einzigartig – nicht umsonst hat die UNESCO das belgische Bier im Dezember 2016 auf die Liste des Immateriellen Weltkulturerbes gesetzt.

© Tim Buelens

Den Auftakt der Bierwochenenden bildet am 14. und 15. April das  Leuven Innovation Beer Festival. Hier stellen die Handwerker unter den Braumeistern ihre Craft-Biere vor. Wie der Name schon sagt, kommen hier vor allem Liebhaber von innovativen Bieren – egal ob es sich um die Herstellung, die verwendete Technik oder sogar nur um die Verpackung geht – auf ihre Kosten. Schon der Veranstaltungsort ist eine Pilgerstätte für Bier-Fans: Das Event findet in der alten Brauerei De Hoorn statt – dort wo vor fast 100 Jahren das erste Stella-Bier gebraut wurde (Stella-Artois gehört übrigens heute zu Anheuser-Busch InBev, der weltgrößten Brauereigruppe, die ihren Sitz ebenfalls in Leuven hat). Weiterlesen …

Flandern, Kirsten Lehnert, Kultur, Leuven

Die Parkabtei Leuven – Ein neues Juwel der Sakralkultur

Zu Besuch in der Parkabtei Leuven

„(Nicht) von dieser Welt. Bilder von Abgeschiedenheit und Befreiung“ – so lautet der Name der Ausstellung, mit der das neue Museum PARCUM in der Parkabtei Leuven Ende Oktober eröffnet wurde. Nicht von dieser Welt scheint auch der Ort, an dem nun sakrale Schätze aus flämischen Klöstern und Abteien gezeigt werden: Es befindet sich im frisch restaurierten Westflügel der Parkabtei in Leuven, einer der schönsten und am besten erhaltenen Abteien Flanderns.

ParkabteiLeuven, © Isabelle Debruyckere

ParkabteiLeuven, © Isabelle Debruyckere

Wir haben einen Blick in die umfangreich sanierte mittelalterliche Anlage geworfen und sind noch ganz verzückt. Denn hier in der Parkabtei scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Das Kloster wurde seit 1129 ununterbrochen von den Norbertinern, wie die Prämonstratenser in Flandern und den Niederlanden genannt werden, bewohnt. Auch heute lebt hier noch eine kleine Zahl an Klosterbrüdern, die die Tradition des Gemeinschaftslebens und der pastoralen Arbeit fortsetzen. Die Klostergebäude und die Innenausstattung sind seit dem 17. Jahrhundert nahezu unverändert erhalten. Auf dem insgesamt 42 Hektar großen Gelände findet ihr nicht nur eine romanische Klosterkirche, ein monumentales Tor im klassizistischen Stil und einen kleinen Friedhof. Ihr könnt auch durch die großzügige Parkanlage mit ihren Alleen, Fischteichen und Wiesen wandeln. Weiterlesen …