Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kultur

Design oder nicht sein

von Kirsten

Immer wenn ich in belgischen Restaurants, Hotels oder Geschäften bin, wenn ich in die Häuser und Gärten schaue, dann habe ich das Gefühl, dass die Menschen hier ein ganz besonderes Verhältnis zu Gestaltung haben: Design oder nicht sein, so scheint mir das Motto vieler Flamen. Und so wundert es auch nicht, dass es in Gent ein ganzes Museum voll mit den wirklich schönen Dingen des Alltags gibt, mit Stühlen, Lampen, Stoffen und Objekten – das Design Museum Gent. Das möchte ich euch heute vorstellen.

Zugegeben, an dieser Stelle hab ich schon häufiger gesagt, dass das ein oder andere Museum in Flandern zu meinen Favoriten zählt. Das Design Museum Gent ist aber – zumindest bis jetzt – mein absoluter Spitzenreiter. Nur ein paar Gehminuten weg vom Trubel am Korenmarkt, liegt es in einer ruhigen Straße, der Jan-Breydel-Straat. Es ist ein Mekka für Ästheten und – ich hatte jedenfalls bisher immer Glück – auch eine Oase der Ruhe, denn in dem großen Komplex verteilen sich die Besucher schnell.

Das Design Museum:

Das Gebäude an sich ist schon eine Attraktion: Den Kern bildet das ehemalige „Hotel de Coninck“, ein 1755 erbautes Herrenhaus. In den schönen im Rokoko und klassischen Stil ausgestatteten Innenräumen könnt ihr über die alten knarzenden Parkettböden wandeln und Wandgemälde, Ledertapeten, Kamine und Holztäfelungen bestaunen. Die alten Polstermöbel und der hölzerne Kronleuchter katapultieren euch zurück ins 17. und 18. Jahrhundert. Und gleich im ersten Raum gibt es ein Fest fürs Auge: In dem gediegenen Ambiente des Salons sticht ein Tisch aus lauter Büchern hervor, die Platte eine Collage aus leuchtend bunten Buchdeckeln unter einer Gasplatte, eine Kunstwerk von Richard Hutten.  Ein spannender Kontrast, der gleich zu Beginn des Rundgangs die immense Breite der Sammlung des Museum repräsentiert, die nicht nur in dem imposanten Altbau, sondern auch einem 1992 ergänzten luftigen Neubau gezeigt wird.

An dieser Stelle macht es Sinn, kurz in die Geschichte des Museum zurückzublicken: Das Museum wurde 1903 vom „Verband der industriellen und dekorativen Künste“, einer privaten Organisation von Industriellen und Künstlern, gegründet. Zunächst hatte es sich auf Möbelstücke aus dem 18. Jahrhundert in verschiedenen französischen Stilen, darunter Rokoko, Neoklassizismus und Empire-Stil sowie zeitgenössische Objekte aus der Zeit um die Weltausstellung in Gent (1913) und aus den frühen 1920er Jahren in Paris konzentriert. Später kamen wundervolle Stücke aus der Zeit der Art Nouveau und Art Deco sowie italienische Postmoderne mit Studio Alchimia und Memphis dazu. Nach und nach hielt aber auch zeitgenössisches Industriedesign und künstlerisches Design Einzug. Was dazu führte, dass das nun auch räumlich erweiterte Museum 1995 in „Museum für Dekorative Kunst und Design“ und 2001 schließlich in Design Museum Gent umbenannt wurde.

Heute ist die Sammlung auf über 22.500 Objekte angewachsen. Sie umfasst angewandte Kunst und Design von 1450 bis heute und sie ist sowohl regional, national als auch international sehr vielseitig. Nirgendwo sonst in Belgien findet ihr solch ein zusammenhängendes Bild vom führenden Design seit dem Jugendstil.  Im Fokus steht dabei vor allem die Gestaltung von Innenräumen, von der Privatwohnung bis zum Büro – also von Möbeln über Keramik und Glas bis zu Textilien. Außerdem zeigt das Museum einige Klassiker des nationalen und internationalen Designs, die den jeweiligen Zeitgeist wundervoll widergeben.

Design Museum, © Joost Joossen

Ich empfehle Euch auf jeden Fall: bringt Euch viel Zeit mit. Es gibt so viel zu entdecken, und vor allem wiederzuentdecken, denn das ein oder andere schön gestaltete Stück habt ihr vielleicht selbst schon mal in den Händen  gehalten oder vielleicht schon selbst „besessen“, wie den Kultstuhl 03 von Maarten Van Severen oder den Elefanten-Hocker von Charles und Ray Eames.

Derzeit ist übrigens eine erneute Erweiterung geplant: In einem neuen Museumsflügel soll Platz für Sonderausstellungen, Workshops und Museumsgastronomie geschaffen werden. Spätestens dann werde ich wieder in mein Lieblingsmuseum fahren.

© Bas Bogaerts, Vist Gent

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