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Kühner Walfisch vor alten Giebelhäusern – Die Triennale Brügge 2018

von Meike

Mit Schwung wirft der Walfisch seinen Körper weit aus dem Wasser heraus. Er biegt sich nach hinten und reckt seine weiße Unterseite dem Himmel entgegen. Diese Szenerie spielt sich nicht auf dem weiten Meer ab, sondern in der Altstadt von Brügge mit ihren vielen Giebelhäusern, Türmchen, Brücken und Grachten. Doch warum ein Walfisch an diesem Ort, mitten in der Hauptstadt von Westflandern?

Das riesige Tier, das zusammengesetzt ist aus zahlreichen blauen und weißen Stücken Plastikmüll, ist eine markante Skulptur mit dem Titel „Skyscraper“. Das Werk des Künstlerteams Lesley Chang und Jason Klimoski von dem US-Architekturbüro StudioKCA bildet einen besonderen Blickfang der Triennale Brügge 2018, die noch bis zum 16. September zeitgenössische Kunst und Architektur unter dem Titel „Liquid City – Flüchtige Stadt“ in der historischen Innenstadt von Brügge zeigt.

Der Walfisch hat dabei von Anfang an für besondere Aufmerksamkeit gesorgt. Ich bin zum Eröffnungswochenende der Triennale angereist und schon neugierig auf diese Skulptur. Denn im Programmheft ist sie bereits vorab als Visualisierung zu sehen. Doch der große Meeressäuger lässt auf sich warten. Am Tag vor der Eröffnung wird immer noch am Fundament der Skulptur in der Gracht gearbeitet, zwei Taucher blubbern dafür immer wieder unter die Wasseroberfläche. Am Eröffnungstag selber reckt sich das mächtige Tier zwar schon in die Höhe, doch es wird noch an den Flossen gewerkelt. Es ist eben nicht so einfach mit der Kunst.

Aufmerksamkeit für die verschmutzten Ozeane

Jason Klimoski wirbelt im Blaumann über die Baustelle. Der Künstler ist im Stress, doch unbeirrt gut gelaunt. Im Vorbeigehen gibt er kurz Auskunft über sein Werk: „Die Walfische, wie sie sich so hoch aufrichten, sind die Wolkenkratzer der Meere und somit die ersten Skyscraper“, erklärt er. Seine Skulptur besteht auf Abfall, ist zusammengesetzt aus Plastikmüll, der sich in großen Mengen in den Meeren und Ozeanen findet und an den Stränden ablagert. Die Teile für diese Skulptur hat das Künstler-Duo gemeinsam mit freiwilligen Helfern an den Stränden von Hawaii aufgesammelt. Die vielen Stücke haben die Künstler dann nach Farben sortiert und gereinigt und sorgsam zu der Skulptur zusammengesetzt. „Mit diesem Werk wollen wir die Aufmerksamkeit auf das globale Problem der verschmutzten Ozeane lenken“, sagt Klimoski und eilt schon wieder weiter, um mit dem Kranführer das weitere Vorgehen zu besprechen.

Schon der Aufbau des Walfischs sorgte für Aufmerksamkeit. Hier liegt ein großer Teil der aus Plastikmüll gefertigten Skulptur vor dem Denkmal für den flämischen Maler Jan van Eyck. Foto: Meike Nordmeyer

Der Aufbau des Skyscrapers ist natürlich interessant anzuschauen und bietet außergewöhnliche Fotomotive. Längst lockt die entstehende Skulptur viele Besucher herbei. Auch ich schaue immer wieder am Jan van Eyckplein vorbei, an dem Platz, auf dem der berühmte flämische Maler Jan van Eyck auf seinem Denkmalsockel thront und ganz unbeeindruckt von dem regen Treiben um ihn herum zu sein scheint. Ich bin mir aber sicher, zwischendurch, wenn keiner auf ihn achtet, wendet er auch mal seinen Kopf zur Gracht, um zu schauen, wie die Arbeiten an dem Kunstwerk vorangehen.

Die „Minne Floating School“, die schwimmende Schule von Nlé Kunlé Adeyemi, ist an besonders schöner Stelle platziert: im „Minnewater“, dem See der Liebe. Foto: Meike Nordmeyer

Architekturprojekt für die flüchtige Zukunft

Mit der Triennale macht es auf jeden Fall noch viel mehr Spaß, die schöne Altstadt von Brügge zu durchstreifen. Denn dabei lassen sich die verschiedenen Kunstwerke und Pavillons an ganz verschiedenen Ecken entdecken. Es begegnen sich dabei Alt und Neu: ein faszinierendes, weil so durchgängig erhaltenes mittelalterliches Stadtbild und zeitgenössische Werke aus Kunst und Architektur, die das Leben in einer Stadt als vielgestaltig, flüchtig und wandelbar aufscheinen lassen und zur Gestaltung dieses Wandels anregen wollen. Dass in dieser von Grachten durchzogenen Stadt die Kunstwerke auch auf dem Wasser platziert werden, versteht sich da von selbst. Ein Beispiel dafür ist auch die „Minne Floating School“, die schwimmende Schule von Nlé Kunlé Adeyemi. Die Holzkonstruktion ist konzipiert als ein mobiles Gebäude, das sich weltweit den wechselnden Gezeiten, dem Klimawandel anpassen und auch beispielsweise Überschwemmungen trotzen kann. „Ein Architekturprojekt, das bereitsteht für die flüchtige Zukunft“, so heißt es im Programmheft.

Der Selgascano-Pavillon ist eine begehbare Skulptur und als Erholungsort gedacht. Bei warmen Sommerwetter an den Wochenenden im Juli und August können Besucher von dort aus einen Sprung in die Gracht wagen. Foto: Meike Nordmeyer

 

Ein begehbares Kunstwerk wie die schwimmende Schule ist auch der Pavillon des spanischen Architekturbüros Selgascano. Auf einer gelb eingefärbten Holzfläche in einer Gracht ist der Pavillon aus einem filigranen Gestänge und knatschroter Folie aufgebaut. Sobald ich in die Folienhalle hineingehe, erscheint mir die ganze Welt sofort rot eingefärbt. Als ich kurz darauf wieder heraustrete, sind die Farben nicht sogleich wieder wie gewohnt, sondern nun erscheint um mich herum alles ziemlich grünlich oder bläulich – bevor ich es richtig zuordnen kann, verflüchtigt sich der diffuse Effekt wieder.

Koralle im Kirchenschiff – im Garten und in der Kirche des Großen Seminars ist eine Ausstellung mit thematisch passenden Werken des Frac Centre-Val de Loire zu sehen. Foto: Meike Nordmeyer

 

Große Koralle im Kirchenschiff

Doch nicht nur draußen, auch im Innenraum ist moderne Kunst zu erleben. Auf Einladung der Triennale hat das Frac Centre-Val de Loire eine Ausstellung zusammengestellt mit thematisch passenden Werken aus seiner Sammlung. Die Arbeiten sind in der Kirche und im Garten des Grootseminarie (des Großen Seminars) zu sehen. Eine riesige Skulptur, die an eine Koralle erinnert, steht da beispielsweise in dem Kirchenschiff und sorgt für interessante Kontraste.

So lässt sich auf höchst anregende Weise bei vielfältigen Begegnungen mit Kunst und Architektur die Stadt Brügge erleben. Wenn die Straßen und Plätze abends leerer werden, weil viele Touristengruppen nach ihrem Tagesausflug die Stadt wieder verlassen, dann lohnt sich noch einmal ein Gang zum Rozenhoedkaai, dem Rosenkranzkai, der ein besonderes Panorama von Brügge bietet. Abends ist es dort ruhig und die Szenerie stimmungsvoll beleuchtet. Da zeigt sich eine romantische Ansicht einer mittelalterlichen Stadt, ein flüchtiger Moment, der wie aus alten Zeiten herüberweht.

 

Am Abend am Rosenkranzkai – traumhaft schönes Panorama von Brügge wie aus einer anderen Zeit. Foto: Meike Nordmeyer

 

 

 

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