Brügge bietet viele spannende Orte, die es zu entdecken gilt. Mehr als 30 Kirchen (rund die Hälfte davon in der Altstadt), zahlreiche Museen, Kunstausstellungen und beeindruckende Plätze verführen so manchen Touristen zum Verweilen. Nicht erst „Brügge sehen und sterben“ hat zahlreiche Gäste in die Stadt in Flandern gelockt. Die Kombination zwischen schmucken alten Häusern und ansehnlichen Grachten ist einfach sehenswert.
Seit Mai 2019 hat Brügge ein weiteres Highlight.
Zentral gelegen könnt ihr eine Zeitreise in das Mittelalter von Brügge erleben. Das Gruuthusemuseum – das kann ich vorab schon verraten – lässt nicht nur Kunstfans und Zeitreisende wie mich begeistert zurück.
Rund 5 Jahre war das Gruuthusemuseum geschlossen, rund 9 Millionen wurden für die Neugestaltung investiert und eine ganze Woche wurde im Mai die Wiedereröffnung des Stadtpalais der Familie Gruuthuse gefeiert.
Reisen wir zurück in die Zeit.
1425 war es, als Johann IV von Gruuthuse mit dem Bau eines Herrenhauses am Dijverkanal begann. Die Familie Gruuthuse verdiente ihr Geld mit Grut (Eine Art Kräutermischung). Das Grut war im Mittelalter Bestandteil des Bieres. Selbiges wurde von jedermann getrunken – demzufolge hatte die Familie viel Geld und somit auch viel Einfluss im Burgundischen Brügge.
Selbst nachdem Grut nicht mehr genutzt wurde durfte die Familie Steuern auf Bier erheben. So kommt es auch, dass über mehrere Jahrhunderte wertvolle Kunstwerke, Wandteppiche und Zeitdokumente durch die Familie gesammelt wurden. Als Museum fungiert das Stadtpalais seit 1888. Die letzte umfangreiche Restauration fand in den letzten Jahren statt – ich finde – es hat sich gelohnt!
Besucht mit mir das Gruuthusemuseum!
Auf dem Hof des Gruuthusemuseum stoßen Gegenwart und Vergangenheit aufeinander. Der modern wirkende Ticketshop ist für alle Besucher der erste Anlaufpunkt.
Erst von dort geht es mit einem Audioguide durch eine liebevoll verzierte Eingangstür. Der “Lockerroom” war früher einmal der Raum für die Guillotine – heute jedoch passiert hier keinem Gast etwas.
Von dort aus werden wir in drei Zeitepochen in das Leben der Familie Gruuthuse hineingezogen. Gut besucht ist das Museum – Mehrsprachig in Wort und Schrift ist es jedoch nicht nur für Einheimische spannend. Ich bin sehr begeistert von den prunkvoll verzierten offenen Kaminen und den wunderschön bemalten Decken.
Vor allem im Eingangsbereich kann ich meine Augen gar nicht mehr von der Deckenkunst nehmen!
In der ersten Etage lerne ich Lodewijk van Gruuthuse kennen. Er – der Sohn vom Erbauer – brachte den Namen Gruuthuse zu weitreichendem Ruhm. Er selbst war viele Jahre Statthalter von Brügge und wurde vom englischen König zum Earl ernannt. Einige der über 600 Ausstellungstücke entstammen dieser Epoche – sie bilden den Kern der Ausstellung in der ersten Etage. Mit Touchscreens, Riechproben und echt wirkenden Dokumenten zum Anfassen ist die Ausstellung abwechslungsreich und vielfältig.
Der Leitfaden “Plus est in vous” (Es steckt mehr in dir!) zieht sich dabei durch die gesamte Ausstellung. Fast 45 Minuten verbringe ich im Erdgeschoss. Über eine Wendeltreppe mache ich einen Zeitsprung und befinde mich kurze Zeit später im 17ten Jahrhundert.
Dort entdecke ich nicht nur eine gedeckte Tafel mit schickem China – Geschirr und zahlreiche barocke Kunstwerke, sondern auch eine kleine Gebetskapelle (Ein Verbindungsstück zwischen der Onze-Lieve-Vrouwerk und dem Stadtpalais). Der Exklusiv-Zugang zur Kirche wirkt wie aus einer anderen Zeit – fasziniert bin ich von der Holzmalerei und den Schnitzereien in der fast golden wirkenden Kapelle.
Im Laufe der Führung stelle ich schnell fest: Nicht die Familie Gruuthuse steht im Mittelpunkt – vielmehr erfahre ich hier sehr viel über die Geschichte der Ober und Mittelschicht der Brügger Bewohner im Laufe der Zeit.
Kein klassisches Museum
In der dritten Etage bin ich von den zahlreichen Eindrücken ein wenig fertig. Ich lasse mich auf eine Couch fallen die an einer Wand steht. Kurz darauf der Gedanke “Verdammt – ich bin hier in einem Museum!” Eine Museumsführerin beruhigt mich. Diese Couch aus dem Neoklassizismus darf benutzt werden. Hier darf man sich setzen und auch eines der zahlreichen Dokumente aus dem Hause Gruuthuse lesen.
Die Dritte Etage jedoch hat noch weitere Highlights zu bieten. Neben zahlreicher Kunst aus Brügge und Umgebung – Infos über die Wirtschaft und das Leben in diesem Jahrhundert und auch der Aspekt Glaube finden in zahlreichen Ausstellungsstücken ihren Platz.
Ein Ankleidezimmer für Mädchen mit verschiedenen Perücken aus dem 18ten Jahrhundert und einen Balkon von dem man einen tollen Blick aufs Gebäude und den berühmten Arentshof sowie die Bonifaciusbrücke hat.
Es geht eine Sage um, dass dies die älteste Brücke von Brügge ist und angeblich aus dem Mittelalter stammt – zur damaligen Zeit jedoch waren alle Brügger Brücken aus Holz.
Übrigens – ein Blick ins Dachgeschoss lohnt sich für all diejenigen, die einen Ort brauchen an dem sie sich auf eigene Art und Weise mit dem Museum auseinandersetzen können. Das Studio + bietet dafür zahlreiche Möglichkeiten – Kreative oder Kommunikative. Oder einfach nur um nach einem spannenden Spaziergang durchs Museum einen Ort der Ruhe zu finden.
Hilfreiche Infos:
- Für Sehbehinderte gibt es im ganzen Museum “Fühlstationen” – ein spezieller Audioguide ist für Herbst 2019 geplant
- Im Gruuthusemuseum gibt es keinen Aufzug, daher ist es nur bedingt für Personen mit Gehbehinderung anzuschauen.
- Der Eintritt kostet 12 Euro für Erwachsene
- Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von 09:30 – 17:00 Uhr geöffnet.
- Mehr Informationen bekommt ihr unter museabruegge.be