Städte/Regionen

Brügge, Flandern, Janett Schindler, Kultur

Das Gruuthusemuseum – in drei Jahrhunderten durch Brügge

Blick auf das Gruuthusemuseum und die Kathedrale

von Janett Schindler

Brügge bietet viele spannende Orte, die es zu entdecken gilt. Mehr als 30 Kirchen (rund die Hälfte davon in der Altstadt), zahlreiche Museen, Kunstausstellungen und beeindruckende Plätze verführen so manchen Touristen zum Verweilen. Nicht erst „Brügge sehen und sterben“ hat zahlreiche Gäste in die Stadt in Flandern gelockt. Die Kombination zwischen schmucken alten Häusern und ansehnlichen Grachten ist einfach sehenswert.

Seit Mai 2019 hat Brügge ein weiteres Highlight.

Zentral gelegen könnt ihr eine Zeitreise in das Mittelalter von Brügge erleben. Das Gruuthusemuseum – das kann ich vorab schon verraten – lässt nicht nur Kunstfans und Zeitreisende wie mich begeistert zurück.

Blick aus dem Gruuthuse Museum, © Janett Schindler

Rund 5 Jahre war das Gruuthusemuseum geschlossen, rund 9 Millionen wurden für die Neugestaltung investiert und eine ganze Woche wurde im Mai die Wiedereröffnung des Stadtpalais der Familie Gruuthuse gefeiert.

Reisen wir zurück in die Zeit.

1425 war es, als Johann IV von Gruuthuse mit dem Bau eines Herrenhauses am Dijverkanal begann. Die Familie Gruuthuse verdiente ihr Geld mit Grut (Eine Art Kräutermischung). Das Grut war im Mittelalter Bestandteil des Bieres. Selbiges wurde von jedermann getrunken – demzufolge hatte die Familie viel Geld und somit auch viel Einfluss im Burgundischen Brügge.

Map of Bruges, 1546 – 1600, Anonymous master, Bild © Janett Schindler

Selbst nachdem Grut nicht mehr genutzt wurde durfte die Familie Steuern auf Bier erheben. So kommt es auch, dass über mehrere Jahrhunderte wertvolle Kunstwerke, Wandteppiche und Zeitdokumente durch die Familie gesammelt wurden. Als Museum fungiert das Stadtpalais seit 1888. Die letzte umfangreiche Restauration fand in den letzten Jahren statt – ich finde – es hat sich gelohnt!

Besucht mit mir das Gruuthusemuseum!

Auf dem Hof des Gruuthusemuseum stoßen Gegenwart und Vergangenheit aufeinander. Der modern wirkende Ticketshop ist für alle Besucher der erste Anlaufpunkt.

Gruuthusemuseum, © Janett Schindler

Erst von dort geht es mit einem Audioguide durch eine liebevoll verzierte Eingangstür. Der “Lockerroom” war früher einmal der Raum für die Guillotine – heute jedoch passiert hier keinem Gast etwas.

Lockerroom im Gruthuusemuseum, © Janett Schindler

Von dort aus werden wir in drei Zeitepochen in das Leben der Familie Gruuthuse hineingezogen. Gut besucht ist das Museum – Mehrsprachig in Wort und Schrift ist es jedoch nicht nur für Einheimische spannend. Ich bin sehr begeistert von den prunkvoll verzierten offenen Kaminen und den wunderschön bemalten Decken.

Weiterlesen …
Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Mechelen

Die Vleeshalle – der neue Foodmarkt in Mechelen

von Kirsten Lehnert

Mechelen war mir bisher vor allem bekannt durch das Museum Hof van Busleyden in dem prachtvollen Renaissancepalast, die königliche Teppichmanufaktur oder die Brauerei im Beginenhof. Seit meinem letzten Besuch in der Stadt kenne ich nun eine weitere Attraktion: Denn Ostern öffnete in der alten Fleischhalle ein wirklich schöner Foodmarkt seine Tore. Ich möchte Euch diesen neuen kulinarischen Hotspot im Herzen von Mechelen vorstellen.

© Visit Mechelen

Noch bevor ich den Duft der frisch gebackenen Focaccia oder der würzigen asiatischen Suppen in der Nase hatte oder auch nur einen Bissen an einem der vielen Stände probieren konnte, war ich schon begeistert. Allein die Location ist schon ein Genuss. Die Vleeshalle ist – wie der Name schon sagt – eine alte Fleischhalle. Mit Galerien über drei Etagen, von grünen gerundeten Stahlträgern gestützt und detailreich gestaltet. Durch die Glasfenster unter dem hölzernen Giebeldach scheint Tageslicht hinein. In der 1881 erbauten Markthalle verkauften früher die Mechelner Metzger ihre Ware. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gebäude immer mehr verfallen, 1967 wurden die Tore der Fleischhalle endgültig geschlossen.

Die Vleeshalle früher, © vleeshalle

Die Geschichte der Vleeshalle

Nach diversen Zwischennutzungen etwa als Veranstaltungsraum und Filmkulisse wurde die denkmalgeschützte Halle nun aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst. Veronique Smolders und ihr Partner Kevin Goos haben sich hier einen Traum verwirklicht und eine wirklich gelungene Mischung aus Markt, Lokalen, Shop und Büros geschaffen – in einem Ambiente, in dem man die Geschichte der Ortes wirklich noch spüren kann. Die Beiden haben als Organisatoren des berühmten Bierfestivals in Mechelen übrigens schon gezeigt, dass sie Genussprojekte erfolgreich umsetzen können.

© Visit Mechelen

Im Zentrum dieses hippen Foodmarktes findet ihr einen Barbereich, hier kann man sich gut niederlassen und einfach genießen. Drum herum tummeln sich 12 Anbieter von den unterschiedlichsten Köstlichkeiten. Italien, Vietnam, Mexiko, Spanien und Irland liegen hier eng beisammen. So könnt ihr mit kleinen Häppchen kulinarisch einmal um die ganze Welt reisen. Ihr findet Streetfood, Tapas, Wurstwaren, Burger, Käse, Patisserie, Fischgerichte, frische Säfte, Kaffee, Tee, Suppen. Wer mag, kostet die vietnamesischen Frühlingsrollen mit frischem Koriander, die Steven an seinem Stand “Bāmbū” anbietet. Elena peppt ihre Tapas nach den Rezepten ihrer Großmutter mit einem modernen Kick auf. Mich hat vor allem die handgemachte Guacamole von Karen vom “Alma Libre” umgehauen. Und die frischen Salate und Gemüse-Bowls bei “Urban Greens” sind schon fürs Auge ein Genuss.

Im Foodmarkt könnt ihr übrigens auch zahlreiche frische, hochwertige und viele regionale Produkte kaufen und zuhause selbst etwas daraus zaubern. Ich habe noch ein Schwätzchen mit Imker Johan gehalten und mir als Erinnerung dann ein Glas Honig mitgenommen.

Mehr als ein Foodmarkt

Und da Genuss nicht nur eine Sache für den Gaumen ist, könnt ihr in der Vleeshalle auch noch andere schöne Dinge kaufen. In den oberen Etagen etwa findet ihr bei Colorfool Möbel, Accessoires und Mode.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Küste

Lust auf Meer? Die belgische Küste und ihre besten Fischrestaurants

von Kirsten Lehnert

Ich bin ja schon durch viele romantische Städtchen in Flandern geschlendert und habe mich anschließend mit den leckersten regionalen Spezialitäten und den besonderen Varianten des Street Food verwöhnt. Neulich war mir dann mehr nach Meer und nach Sea Food. Was lag da näher, als einen Gastrotrip an die belgische Küste zu machen? Hier kann man den frischen Fang direkt mit Meerblick genießen.

Genussort mit Aussicht, der Küstenort Blankenberge © Toerisme Blankenberge, Westtoer

Ich habe mir ein paar der besten und kultigsten Fischlokale angeschaut und das ein oder andere Meeresfrüchtchen probiert. Mein Fazit: unbedingt empfehlenswert. Drei ganz unterschiedliche Lokale will ich hier vorstellen. Aber Vorsicht, der folgende Text könnte bei Genussmenschen akute Lust auf mehr/Meer auslösen und das dringende Bedürfnis, sofort an die Küste zu fahren…

Frischer Hummer ist eine der Spezialitäten im Restaurant Oesterput © Oesterput

Der Hummer ist der Hammer

Mein erster Tipp für die belgische Küste ist das „Oesterput“ in Blankenberge, ein Traditionslokal, das Piet Devriendt bereits in 4. Generation führt. Es liegt etwas versteckt im Hafengebiet in einer eher unscheinbaren Halle. Was 1885 als Großhandel für Fisch und Schalentiere begann, hat heute Kultstatus. Noch immer werden Fisch, Austern und Hummer von hier ins ganze Land geliefert. Piets Urgroßvater errichtete hier 1888 das erste mit frischem Meerwasser gefüllte Becken und züchtete selbst Austern. Im authentischen Ambiente der Lagerhalle könnt ihr an langen Tischreihen nun Austern bis zum Abwinken genießen. Frischer geht’s wohl kaum. Die Spezialität des Hauses ist aber Hummer und der ist – man verzeihe mir das Wortspiel – der Hammer! Zum Tagespreis und zum Reinlegen. Leuchtende Farbe, zartes Fleisch, authentische Atmosphäre. Dazu ein leckerer Weißwein. Das muss sein, bei aller Liebe für die belgische Bierkultur. Alle Speisen, von den Garnelen-Kroketten bis zu den Tomaten-Garnelen, werden nach alten Familienrezepten zubereitet. Wer keinen Platz im Lokal bekommt (reservieren kann man hier leider nicht), der kann Hummer, Meeresfrüchte und Austern auch außer Haus genießen.

Info: Oesterput, Wenduinse Steenweg 16, 8370 Blankenberge,
Tel: +32 50 41 10 3, www.oesterput.com

Authentisches Ambiente im Oesterput © Oesterput

Oh, wie schön!

Was dem einen sein Austernbecken ist dem anderen sein Fischteich. Ivan Puystiens hat seinen in der Mitte seines Lokals „Oh“ platziert. Ein schöner Blickfang in dem Restaurant, das an sich schon viel für‘s Auge zu bieten hat. Mein Tipp für Menschen, die nicht nur gute Fische-Küche mögen, sondern auch stylisches Ambiente. Neben dem originellen Interieur (der Name Oh verweist auf ‚Wasser‘ – und das findet ihr hier als Gestaltungsmerkmal auch an den Wänden) können sich auch die Gerichte sehen und schmecken lassen.

Das Auge isst mit im Oh Restaurant © Oh Restaurant

Ivan Puystiens, der wie Piet vom „Oesterput“ ein Kind der Küste ist und schon mit seinem Großvater Muscheln gesammelt hat, serviert hier regionale Produkte mit Einflüssen aus aller Welt. Ich habe die Langusten mit Chorizo, Chicorée und Limone getestet. Oh, wie lecker! Dazu gibt es im Oh natürlich nicht nur Wasser, sondern auch tolle Weine, darunter zahlreiche Bio-Weine, schließlich ist der Eigentümer zugleich Sommelier. Bei schönem Wetter könnt ihr das alles auf der Sonnenterrasse genießen. Nicht nur mir hat‘s geschmeckt, die Tester vom Gault Millau haben dem Oh 13,5 Punkte gegeben.

Info: Oh Restaurant, Koninklijke Baan 289, 8670 Sint-Idesbald, Tel: +32 58 52 05 72, www.ohrestaurant.be

Sonne und Sand satt im „Westhinder“ © Westhinder

Sand und Sonne

Mein absoluter Favorit, wenn ihr ein Fischrestaurant für eure Reise an die belgische Küste sucht, ist das „Westhinder“. Sowohl die Lage, als auch die Atmosphäre sind einfach einzigartig. Wenn ihr den gepflasterten Wanderweg von Wenduine Richtung De Haan bis zum Ende geht – das dauert etwa 20 Minuten – findet ihr die wohl coolste Strandbar in Belgien. Bis vor zwei Jahren stand hier noch eine schlichte schwarze Holzbude. Die ist einem schlichten aber stylischen Kubus aus Stein und Glas gewichen. In diesem ungewöhnlichen Strandimbiss, serviert Nadine Dewulf, die das Lokal an den Dünen seit mehr als 40 Jahren mit viel Liebe betreibt, ihre hausgemachten Krabbenkroketten und eine wirklich schmackhafte Fischsuppe. Zugegeben, das hat seinen Preis, aber allein die Lage ist unbezahlbar. Ihr könnt Euch natürlich auch einfach so auf die Terrasse setzen und Waffeln, Eis und den Blick auf Strand, Meer und Dünen genießen. Von Mai bis September ist es das Westhinder täglich geöffnet, außerhalb der Saison am Wochenende und an Feiertagen nur bei gutem Wetter.

Info: Chalet Westhinder, Westdijk, 8420 Wenduine, Tel: +32 50 41 58 55, www.westhinder.be  

Ein schöner Platz für den Fischgenuss im Freien: Die Terrasse am Oesterput © Oesterput

Habt Ihr Lust auf mehr Meer? Weitere Tipps zu Fischrestaurants rund um die belgische Küste findet ihr hier.

Flandern, Gent, Kultur, Meike Nordmeyer

Wenn der Kaffee unter den Füßen knirscht

Jubiläumsausstellung im S.M.A.K in Gent

von Meike Nordmeyer

Kaffee trinken kann man in fast jedem Museum in der zugehörigen Cafeteria. In der aktuellen Jubiläumsausstellung im S.M.A.K., dem Städtischen Museum für Aktuelle Kunst in Gent, geht mehr. Da lässt es sich auch auf Kaffee laufen und das ist eine besondere Erfahrung. Es ist ein bisschen wie am Strand, nur dass es dazu betörend duftet. Der brasilianische Künstler Artur Barrio hat seine Rauminstallation mit dem Titel „Interminável“ von 2005 für diese Sonderausstellung erneut realisiert. Der Boden in dem Raum ist komplett mit grob gemahlenen Kaffeepulver bedeckt. An einer Stelle ist sogar ein kleiner Hügel des körnigen Materials angelegt, und es gibt auch einen Berg aus Brot. In der Mitte ist ein Sofa aufgestellt, einzelne Leuchten sind im Raum verteilt.

Kaffeepulver bedeckt den Boden – der brasilianische Künstler Artur Barrio hat seine Rauminstallation mit dem Titel „Interminável“ von 2005 für die Sonderausstellung erneut realisiert. Foto: Meike Nordmeyer

Die Wände sind stellenweise mit Kaffeeflecken übersät und auch vollgekritzelt. All das macht den insgesamt spärlich beleuchteten Raum zu einem besonderen Ort von dichter Atmosphäre. Das dunkelbraune Kaffeepulver zeigt auch eine Anmutung von Erde und das sorgt für einen gewissen archaischen Charakter. „Es ist ein bisschen crunchy“, so bemerkt zudem eine Besucherin, als sie mit dem Fuß über den Boden schabt und damit ein knirschendes Geräusch erzeugt und verschiedene Striche in das Pulver am Boden zeichnet. „Jeder hinterlässt hier seine Spuren“, sagt Kunstdozent Antoon Lamon, der mich als Guide durch die Ausstellung führt.

Ich steh voll auf Kaffee im S.M.A.K. – das habe ich so noch nie gemacht. Foto: Meike Nordmeyer

20 Jahre S.M.A.K. – anlässlich dieses Jubiläums lädt das Museum derzeit zu einer großen Ausstellung unter dem Titel „Highlights for a Future – The Collection (1)“ ein, die eine Auswahl von 200 Arbeiten aus dem umfangreichen Sammlungsbestand von insgesamt 3000 Werken zeigt. Seit 1999 ist das Museum im ehemaligen Casino der Stadt untergebracht und hat damit seinen Standort direkt neben dem Museum für schöne Künste im Citadelpark. Das S.M.A.K. gilt als wichtigste öffentliche Sammlung belgischer und internationaler zeitgenössischer Kunst in Belgien. Strömungen wie Pop-Art, Konzeptkunst und Arte Povera sind beispielsweise vertreten. Es beherbergt Werke namhafter Künstler wie unter anderem Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Panamarenko, Jim Dine und David Hockney.

Der von Artur Barrio geschaffene Kaffeeraum hat mich gleich zu Beginn der Jubiläumsausstellung sehr beeindruckt. Der herbe Duft des Kaffees weht mir noch in der Nase und meine weißen Turnschuhe sind vom braunen Pulver bleibend berieselt – da bekommt die Bezeichnung „Coffee to go“ eine ganz neue Bedeutung. So ziehe ich nun weiter durch die Ausstellung und lausche den spannenden Ausführungen von Antoon.

Das Werk an der hinteren Wand stammt von der Künstlergruppe „Art & Language“. Es bezieht sich auf den Stil von Jackson Pollock und insbesondere auf das Gemälde „Guernica“ von Picasso. Auf dem Boden ist die Arbeit „Untitled (blue glitter) von Ann Veronica Janssens zu sehen. Foto: Meike Nordmeyer

In einem weiten, von einem Oberlicht erhellten Raum hängt ein großformatiges Bild, das nach Action-Painting aussieht und unmittelbar an die schwarz-weißen Bilder von Jackson Pollock erinnert. Das Werk der Künstlergruppe „Art & Language“ bezieht sich aber nicht nur darauf, sondern auch auf das Gemälde „Guernica“ von Picasso. Antoon weist mich darauf hin und zieht eine Abbildung dieses Gemäldes aus seiner Mappe hervor. Obwohl ich das berühmte Bild von Picasso gut kenne, hatte ich den Bezug in dem Gewusel der Striche nicht bemerkt. Doch jetzt tut sich was, die eingearbeitete Struktur gibt sich zu erkennen und entfaltet sich quasi vor meinem nun wissenden Auge.

Ich entdecke immer mehr Motive von Picassos Gemälde und kann nun gar nicht mehr verstehen, warum ich sie vorher nicht gesehen habe. Es ist beeindruckend, was für einen Vorgang des Sehens und Erfassens die entscheidende Information auslöst. Damit wird der künstlerische Prozess quasi durch den Betrachter vollendet – ein Effekt, den die Künstler in ihrem Werk angelegt haben.

Weiter gehts…

Ein anderer Raum im Obergeschoss beeindruckt zudem mit Exponaten besonders namhafter Künstler. Da hängen Arbeiten von Gerhard Richter, David Hockney und Chuck Close. Kleine und große Entdeckungen, bekannte und unbekannte Namen und ganz verschiedene Richtungen der zeitgenössischen Kunst – die Ausstellung hat eine große Bandbreite zu bieten. Es geht bei dieser Auswahl gerade um die Vielfalt der künstlerischen Positionen in der zeitgenössischen Kunst. Dabei zeigt die Ausstellung die Werke nicht etwa nach Entstehungszeit und Kunstströmung sortiert. Eine davon unabhängige Anordnung will neue Bezüge und Gegenüberstellungen herstellen und wirkt damit besonders anregend. Dementsprechend voller Eindrücke komme ich aus der Ausstellung und denke nun gleich wieder an Kaffee. Diesmal möchte ich ihn aber nicht am Boden, sondern in der Tasse. Ich stärke mich im Museumscafé erstmal mit einem Cappuccino.

Derzeit werden noch einige Tafeln des Genter Altars im Museum für schöne Künste, dem MSK Gent restauriert. Hier sind vier der Außentafeln in der Werkstatt der Restauratoren zu sehen. Foto: Meike Nordmeyer

Nun lockt noch viel mehr Kunst in der Stadt zu weiteren Besichtigungen. Das Museum für schöne Künste, das MSK Gent, mit Werken vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert liegt gleich neben dem S.M.A.K. Und in der Altstadt gibt es in Sachen Kunst noch ein absolutes Highlight zu erleben: In der St.-Bavo-Kathedrale kann der legendäre Genter Altar besichtigt werden. Das Gemälde mit dem Titel „Die Anbetung des Lamm Gottes“ wurde von den Gebrüdern Van Eyck im 15. Jahrhundert geschaffen. Es gilt als eines der wichtigsten Kunstwerke des ausgehenden Mittelalters.

Wegen seiner enormen kunstgeschichtlichen Bedeutung und ebenso aufgrund einer langen, sehr verwickelten Reihe von mehrfachem Kunstraub zu späteren Zeiten ist es weltberühmt. Nach seiner wechselvollen Geschichte hängt das alte Gemälde nun fast vollständig wieder in der Kirche, für die es einst geschaffen wurde und kann dort besichtigt werden. Also, einen Kaffee zur Stärkung trinken und hingehen!

Derzeit werden übrigens noch einige Tafeln des Genter Altar im MSK restauriert. Im kommenden Jahr werden anlässlich des Van Eyck-Jahrs 2020 ab 1. Februar die Außentafeln des Genter Altars im MSK im Rahmen einer umfangreichen Ausstellung zu dem Künstler Jan Van Eyck gezeigt. Die acht Tafeln wurden noch nie in einer Ausstellung gezeigt. Sie werden damit zum ersten Mal mit anderen Werken von Jan van Eyck und seinem Atelier zusammengebracht. Im Mai 2020 kehren die Tafeln dann in die St.-Bavo-Kathedrale zurück. Damit ist dort wieder das (bis auf eine verschollene Tafel) komplette Polyptychon, also der vielteilige Flügelaltar zu sehen.

Weiterführende Informationen…

Mehr zu der Ausstellung „Van Eyck – An Optical Revolution“ ab 1. Februar 2020 gibt es hier

Die Jubiläumsausstellung im S.M.A.K. ist schon eröffnet und noch bis zum 29. September 2019 zu sehen. Mehr Infos

Brüssel, Flandern, Jan-Kai Vermeulen, Kultur, Neu auf dem Flandern-Blog

Bei Bruegel, mit Bruegel, wie Bruegel und Bruegel ohne Bruegel

von Jan-Kai Vermeulen

Pieter Bruegel der Ältere lässt sich schon seit Jahren erradeln – auf der Bruegelfietsroute im Pajottenland westlich von Brüssel. Hier war der große Meister häufig mit Pinsel und Leinwand unterwegs, hier hat man später zahlreiche Motive aus seinen epochalen Bildern entdeckt. Jetzt, im Jahr des 450. Todestages (9.9.1569), bietet die Tour einige sehr besondere Attraktionen. Ich mache mich mit meinem Bike auf den 45 Kilometer-Rundkurs.

Die Bruegel-Kirche Sint-Anna Pede, Foto Toerisme Pajottenland & Zennevallei, Luc Bohez

Startpunkt früh am Morgen ist das Besucherzentrum von Sint-Anna-Pede, wo mich bei Rückkehr einer der Höhepunkte der Tour erwarten wird. Los geht es über meist asphaltierte Feldwege meist jenseits vom Autoverkehr. Die Landschaft ist sehr kleinteilig: Wiesen, Äcker, Gehöfte, niedrige Buchenhecken, die Wäldchen, als wäre alles ein Spielzeugland. Plötzlich stehen massive Holztafeln mit Bruegel-Bildern am Rand, ohne Vorwarnung, also Vollbremsung aus der rollenden Behaglichkeit. Hinweise erläutern, was der Meister der postmittelalterlichen Wimmelbilder hier (vermutlich) gemacht hat. Bruegel hat seine Werke – Landschaften, drastische Horrorphantasien oder das beschauliche Dorfleben seiner Zeit – gern aus Collagen vieler Motive komponiert: wilde Kulissen, auch alpine Schroffheiten, Phantastisches – und eben die sanfte Milde des Pajottenlandes. Bruegel, der malende Landschafts-Erfinder.

Eine Augenweide: Floralia rund um Schloss Groot-Bijgaarden

Schloss Groot-Bijgaarden am Rand von Dilbeek liegt drei Kilometer abseits der Radroute. Macht nichts, der Abstecher ist es mir wert. Im Schlosspark ist gerade, wie jedes Jahr, die Floralia gestartet: Mehr als eine Million Blumenzwiebeln sind in der Erde versenkt. Eine Million! Tulpen, Hyazinthen, Narzissen, Gladiolen, dazu seltene Orchideen: Alles was Bruegel an Farben auf der Palette hatte, haben Züchter heute in ihre Blumen gezaubert. Und Bruegel selbst ist in diesem Jahr hier auch allgegenwärtig.

20 seiner berühmtesten Bilder sind im Gelände verteilt, naturnah eingebettet in Arrangements von Blüten, Blättern, Installationen: Getrocknete Blumen und Weizenähren umrahmen zum Beispiel das Bild „Die Kornernte“ im sehr französischen Terrassengarten. Was nicht auf die 14 Hektar Wiesen passte, kam blühend in Gewächshäuser – und dazu etwa Bruegels „Die tolle Grete“ inmitten von rosa Heckenrosen-Ranken. Der 1. Stock des Schlossturms ist als Ess-Saal hergerichtet zum Bild „Die Bauernhochzeit“. Drumherum ist Lavendel ausgelegt. Also: Bruegel riecht auch gut.

Weiterlesen …
Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Mechelen

Als die Beginen zu brauen begannen

von Kirsten

Was haben die Beginen, Karl V. und Bier gemeinsam? Sie alle spielen eine Rolle in einer Geschichte aus Flandern. Ort des Geschehens ist Mechelen, das malerische flämische Städtchen mit seinen über 300 denkmalgeschützten Gebäuden – ein wahres Freilichtmuseum der Renaissance. Und die Geschichte beginnt an einem dieser besonders geschichtsträchtigen Plätze, dem Großen Beginenhof. Er zählt heute als einer von 12 Beginenhöfen in Flandern zum UNESCO-Weltkulturerbe. In dieser malerischen Anlage jedenfalls, bei der kleine Wohnhäuser samt Kapelle einen begrünten Innenhof umschließen, lebten die Beginen an der Grenze von Ordensleben und Laientum.

Das bessere Trinkwasser

Blick in den Beginenhof (c) Visit Mechelen, Koen Broos

Damals gab es hier auch ein Hospital und da das „Trinkwasser“ im Mittelalter bekannterweise selbst Gesunde umhauen konnte, begannen die hier lebenden Ordensschwestern 1471 damit, Bier zu brauen, um damit Kranke und Alte zu versorgen. Das gilt als die Geburtsstunde einer Brauerei, die heute zu den ältesten in Belgien zählt. So erklärt sich auch, warum die Brauerei, die heute eine der Attraktionen der Stadt ist, in der Krankenstraat – inmitten des Großen Beginenhofes – liegt.

Bier für Helden

Schon bald erweiterte die Brauerei ihre Kreise und braute 1491 ein Starkbier eigens für die Ritter, die sich aufmachten, das Goldene Fließ zu finden: das „Gouden Carolus Tripel“. Diesen Namen (Goldener Karl) erhielt es zu Ehren von Kaiser Karl IV, dem letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, der in den burgundischen Niederlanden geboren wurde und in Mechelen aufwuchs.

Weiterlesen …
Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Kim Devisschere – Back to the Roots

von Kirsten

Back to the Roots! Das sagte sich auch der junge belgische Sternekoch Kim Devisschere, nachdem er seine Kochkünste in den feinsten Restaurants erworben hatte. Das ganze Chi Chi, der ganze Trubel und vor allem die Atmosphäre und die Stimmung in den Sterne-Küchen waren nicht seine Welt. So entschied er sich, in Gent sein eigenes Restaurant aufzumachen, das „Roots“. Ich möchte euch den jungen Kitchen Rebell und seine Philosophie hier vorstellen.

Die Kitchen Rebels

Kim ist einer von mittlerweile über 50 Kulinarik-Rebellen, den jungen flämischen Spitzenköchen, die mit ihren kleinen, feinen Restaurants althergebrachte Konventionen der Haute Cuisine auf den Kopf stellen. Sie pfeifen auf piekfeine Kellner, luxuriöse Einrichtung, winzige Portionen für viel Geld. Stattdessen zeigen sie, dass es auch anders geht. Die „jungen Wilden“ bieten hervorragende Küche und tolle Geschmackserlebnisse in lässig-gediegenem Ambiente zu erschwinglichen Preisen. 

Kim Devisschere

Das Roots

In der Vrouwebroersstraat 5, einem der verwinkelten Gässchen des Genter Altstadtviertels Patershol, eröffnete Kim Devisschere im Januar 2016 das „Roots“. Aus dem Stand erhielt er dafür 14 Punkte im Gastroführer Gault & Millau. Da blieb keine Zeit zum Feiern, erinnert sich Kim heute. Schließlich sind die nur 25 Plätze in dem kleinen Lokal fast immer besetzt. Kein Wunder! Kim bietet das, was man neuzeitlich wohl „ehrliches Essen“ nennt: Fein angerichtete, kulinarisch raffinierte Gerichte, die aber zugleich absolut bodenständig sind und zu einem fairen Preis auf den robusten Holztisch kommen. Davon, dass hier nur frische Zutaten in Topf und Pfanne kommen, könnt ihr Euch bei einem Besuch sogar selbst überzeugen: Kim und sein junges Team lassen sich beim Arbeiten in der offenen Küche zuschauen.

Weiterlesen …
Antwerpen, Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Kultur, Neu auf dem Flandern-Blog

Die Chocolate Nation – Wie süß! Ein Museum zum Dahinschmelzen

von Kirsten

Kennt ihr den Film „Charly und die Schokoladenfabrik“? Ich war neulich in Antwerpen in einem neuen Museum, da musste ich unweigerlich an diesen Film denken. Nicht nur, weil sich hier alles um Schokolade dreht, sondern weil hier auch so herrlich verspielt-mechanisch gezeigt wird, wie Schokolade hergestellt wird. Schokoladenmuseen gibt es in Belgien ja schon ein paar. Aber die „Chocolate Nation“, die jetzt in Antwerpen eröffnet wurde, war selbst oder gerade für mich als Chocoholic ein besonderes Erlebnis. Und ich habe dabei sogar die Bekanntschaft mit Ruby gemacht – der Beginn einer sicher langen Freundschaft. Aber der Reihe nach:

Belgien ist ja bekanntlich Wiege und Herz der Schokoladenproduktion. Heute haben zwei der weltweit größten Schokoladenfabriken ihren Sitz in Belgien; Antwerpen ist einer der größten Importhäfen der Welt für Kakaobohnen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass man (auch und vor allem) in Antwerpen die Ergebnisse der Genussproduktion – ob maschinell oder handgemacht – an fast jeder Ecke probieren kann: Ihr findet hier Geschäfte von allen großen belgischen Schokoladenmarken und zahlreiche Chocolatiers bieten ihre von Hand gefertigten Genuss-Kreationen an.  

Das größte belgische Schokoladenmuseum der Welt

© Chocolate Nation
Weiterlesen …
Brüssel, Flämische Meister, Flandern, Kirsten Lehnert, Kultur, Neu auf dem Flandern-Blog

Farbfilm vergessen? Bruegel kann auch Schwarz-Weiß

von Kirsten

Wer an Pieter Bruegel den Älteren denkt, hat meist seine farbenfrohen Gemälde vor Augen. Zwei Ausstellungen in Brüssel präsentieren in diesem Jahr eine ganz andere Facette: seine Zeichnungen und Druckgraphiken. Also: Bruegel in Schwarz-Weiß. Bruegel in klein und auf Papier. Klingt zunächst nicht so spannend. Ich muss ja zugeben, dass ich eine glühende Verehrerin von Bruegels großen, bunten Wimmelbildern bin. Ich war daher eher skeptisch. Würde es mir ebenso viel Spaß machen, Bruegels Welten auf zwei Farben reduziert zu sehen? Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ja!

Ich habe den Praxis-Test gemacht und mir schon vor der offiziellen Eröffnung die Ausstellung „Druckkunst im Zeitalter von Bruegel“ im BOZAR in Brüssel anschauen können. Die zählt zu den großen Bruegel-Ausstellungen, die in den nächsten Monaten im Rahmen der Themenjahre „Flämische Meister 2018-2020“ zu sehen sind. Sie ist nicht nur zeitlich die erste, sie ist auch ein perfekter Einstieg ins Thema. Denn hier versteht man direkt, warum ein Maler wie Bruegel überhaupt in Schwarz-Weiß bzw. mit Druckgraphik arbeitete.

Einer der Gründe heißt schlicht: Marketing. Bruegel „eroberte“ die Welt damals nämlich nicht als Maler, sondern mit seinen gedruckten Zeichnungen. Dank der Erfindung des Drucks konnte sein Verleger und Drucker Hieronymus Cock die „Welten Bruegels“ vervielfältigen, sie relativ schnell und kostengünstig nach ganz Europa liefern und Bruegel so bekannt machen.

Flandern – das Silocon Valley des 16.Jahrhunderts

© Königliche Bibliothek Belgien

Die Erfindung der Druckmaschine damals war einfach revolutionär. Ein Effekt, den man heute mit dem von Facebook oder Instagram vergleichen kann. Flandern war damals DAS Zentrum dieser Revolution – also in etwa das Silicon Valley des 16. Jahrhunderts. Und so zeigt die Ausstellung auch diese spannenden Veränderungen der Zeit. Es entwickelten sich neue Geschäftsmodelle, Arbeiten italienischer Künstler konnten nun problemlos in anderen Ländern gezeigt werden, Trends gesetzt werden. Natürlich erfuhr ich in der Ausstellung auch einiges über die technischen Vorgänge des Drucks. Und nicht zuletzt sah ich faszinierende und teilweise wunderbar skurrile Arbeiten etwa von Albrecht Dürer, Jan Gossaert oder Maarten van Heemskerck.

Jan Gossaert, Caen en Abel © BOZAR

Nun freue ich mich umso mehr auf „Die Welt von Bruegel in Schwarz und Weiß“, wie die Ausstellung in der Königlichen Bibliothek Belgiens in Brüssel heißt, die ab Oktober dort zu sehen sein wird. Sie beeindruckt mich schon vorab durch die schieren Fakten: die Bibliothek zeigt ihren gesamten und einzigartigen Bestand an Bruegels Graphik.

Filigrane Schätze

Da Papier sehr empfindlich ist und die Arbeiten schon jahrhundertealt sind, können die Arbeiten nur sehr selten und wenn, auch nur für kurze Zeit präsentiert werden. Die Blätter müssen nach maximal vier Monaten wieder in den Tresor zurück und vor Licht geschützt werden. Im Falle von Bruegel weiß niemand, wann sie in diesem Umfang das nächste Mal hervorgeholt werden.  Besonders gespannt bin ich auf die Skizzen und Zeichnungen von Bruegel, die auch ausgestellt werden. Jahrhundertealte Papiere mit den Spuren der Zeit, auf denen er mit leichten, wunderschönen Strichen – entweder mit einer Feder oder einem Pinsel – die phantastischen Wesen, die wunderschönen Landschaften oder die beeindruckenden Kompositionen festgehalten hat. Die Zeichnung war für Bruegel oft ein Experimentierfeld. Hier konnte er Themen und Figuren für sich ausprobieren. Und manche davon nahm er schließlich – viel später – in seiner Malerei wieder auf.

Pieter Bruegel d.Ä., Die sieben Todsünden © BOZAR

In Schwarz-Weiß werden auf jeden Fall feine und besondere Einblicke in die Arbeit von Bruegel geboten. Diese bringen mir neben dem Faszinosum des „Exportschlagers“ Druckgraphik den Künstler wieder ein Stück näher.

Antwerpen, Flandern, Jan-Kai Vermeulen, Kulinarik, Neu auf dem Flandern-Blog

Diamanten: In der Stadt der Steinchen haben sogar Pralinen geschmacklich fast 18 Karat

von Jan-Kai

Antwerp Central ist kein Bahnhofshalt sondern ein Haltebahnhof. Er hält einen mit magnetischen Kräften fest. Ich stehe in der Empfangshalle, hingerissen von so viel Pracht: Jugendstil über und über, aufwändig vor ein paar Jahren renoviert. Nur nackenfreundlich ist die Halle nicht, so viel gibt es oben unter der riesigen Kuppel zu entdecken. Bei weltweiten Rankings unter den Edelsteinen der Bahnhöfe landet Antwerpen verlässlich in den Top 10, mindestens.

Antwerp Central Bahmhof mit seiner beeindruckenden Halle

Unangefochten ganz oben im Ranking ist Antwerpen als Diamantenstadt. 84 Prozent aller Rohdiamanten weltweit werden hier gehandelt. Vom Bahnhof zu den Diamantenbörsen sind es nur ein paar Schritte. Ich erwarte Glitzer und Glamour. Aber rund um die Houveniersstraat könnte die Anmutung nicht gegenteiliger sein: schmucklose Nachkriegsbauten, teils zehnstöckig, alles zwischen grau und beige, Videokameras, Sicherheitspatrouillen, eine winzige Synagoge dazwischengequetscht.

Antwerpen – eine Stadt voller Highlights

In der City komme ich nicht vorwärts. Ständig Highlights. Rubens-Haus, das Muss. Die Rubens-Kirche mit ihrem bombastischen Altar, vom Meister selbst designt. Der senkrechte Schuhkarton mit Namen Museum aan Stroom oder MAS. Der Edel-Chocolatier Goosens mit seiner „atypischen Diamantenkollektion“ (15 Pralinées, 22 Euro), geschmacklich nah an 18 Karat. Ein Stück weiter der Juwelier, der den Mikroklunker von 0,02 Karat für 39 Euro als „Souvenir-Diamant“ feilbietet. Mit einem Döschen Pralinen als Zugabe.

Ein neues Museum rund um Diamanten

Im neuen DIVA, dem Diamanten-Museum, prallt man auf unzählige glitzernde Preziosen, die früher aus dem Orient, aus Japan oder Indien im Hafen ankamen, besonders in den „goldenen Jahren“ im 16. und 17. Jahrhundert: Gold- und Silberarbeiten mit Steinen aller Art, teils fein, teils monströs. Ich lausche einem Hörspiel, mühe mich im Quiz um Historie und Rekordmarken der Diamantenwelt und küre mein Lieblingsteil: Ein modern wirkendes Portraitdöschen von 1900 als Halskette, aus purem Gold mit einem Smaragd und zwei Diamanten. Verwirrend ist die häufige Bezeichnung Email an den Ausstellungsstücken. Haben die fortschrittlichen Antwerpener vor hunderten Jahren schon gemailt? Niederländisch Email heißt Emaille.

Eindrücke aus dem neuen Diamanten Museum in Antwerpen, © DIVA, Sven Coubergs

Diva bedeutet bestimmt abgekürzt Diamanten van Antwerpen, oder? Die Museumsführerin guckt mich erstaunt an. Gute Idee, sagt sie, aber eigentlich sollte der Name nur die Glamour-Assoziation zu Diven ausdrücken. Als Mann bin ich übrigens sehr allein hier, es schlendern weitmehrheitlich Frauen umher. Designt hat das Museum der Innenarchitekt Gert Voorjans, der davor Mick Jaggers Anwesen gestaltet hat. Auch ein anderer Promi ist indirekt vertreten: Ex-Tennisprofi Ivan Lendl. Beim „Diamond Meeting“ in Antwerpen war als PR-Gag für vier Siege in Serie ein diamantenbesetzter Tennisschläger aus sechs Kilogramm Gold ausgelobt – schafft eh keiner, dachte man. Lendls Quadruple gewann und er hat das mäßig schöne 80er-Jahre-Racket dann dem Museum gestiftet.

© Diamondland

Angefixt vom musealen Juwelismus sind die Gouden Straatjes nebenan ein idealer Ort, um das Portemonnaie zu meucheln. In diesen Goldenen Sträßchen haben sich 15 Goldschmiede und Schmuckdesigner in kleinen schmucken Ateliers niedergelassen. Manchen darf man bei der filigranen Arbeit zusehen. Die Schmuckstücke von Gerhild Kirchner und Nadine Wijnants haben mir am besten gefallen. Beide schaffen den gestalterischen Spagat: Voluminöse, fast wuchtige Ringe und Reifen, auf der Oberfläche filigran und fast zart gestaltet.

Geschmackssache, sicherlich. Verfeinern könnte ich mein ästhetisches Urteilsvermögen bei Designer Robb Zilla. Denn da kann man sogar Abendkurse belegen. Damit man nachher, wenn man das kleine samtausgelegte Kästchen bei Kerzenschein herüberschiebt, sagen kann: „Schatz, hab ich selbst gemacht für uns.“ Ein nettes Spiel für zwei in der Stadt der Steinchen ist übrigens der Wettbewerb: Wer entdeckt mehr Einheimische mit winzigen Diamantpiercings im Gesicht?

Am nördlichen Ende Antwerpens glitzert der größte Klunker. Hier hat die irakische Stararchitektin Zara Hadid auf das alte Hafen-Verwaltungsgebäude ein kühnes schräges Etwas gebaut. Es hat die Form eines Diamanten, der im Sonnenlicht blinkt und blitzt. 500 Menschen, lese ich, haben hier innerdiamantene Arbeitsplätze gefunden – Besichtigung leider nur für Gruppen und mit Voranmeldung.

Die Füße sind platt. Mit knapper Not wieder am Bahnhof, der aber ausgerechnet auf Züge keine magnetisierende Wirkung hat. 20 Minuten Verspätung. In Brussel Midi wird ein Sprint nötig zum Anschlusszug.