Kulinarik

Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Gutes aus Gent: Wo der Himmel voller Schinken hängt

Für manche Menschen ist es das Größte, wenn der Himmel voller Geigen hängt. In meinen Augen (und in meiner Nase) ist es ein ebenso himmlisches Glück, wenn Schinken diesen Platz einnehmen. Das habe ich bei meinem letzten Besuch in Gent gemerkt, als ich das erste Mal im Vleeshuis war. Die alte Fleischhalle, ein eindrucksvolles Gebäude mitten im Zentrum der Stadt (Groentenmarkt 7), stammt aus dem 15. Jahrhundert und war früher ein überdachter Marktplatz.

Im Mittelalter war es verboten, in einem privaten Laden Fleisch zu verkaufen. Daher wurden die Prüfung der Fleischqualität und der Verkauf von Fleisch zentral organisiert. Vieles hat sich seitdem geändert, aber noch heute wird in Gent der Ganda-Schinken nach jahrhundertealter Tradition handwerklich hergestellt. Einige Exemplare – man könnte auch sagen Prachtstücke – ­ werden zum Trocknen und späteren Verkauf im Vleeshuis aufgehängt. An einem prächtigen offenen Holzgebälk, ein wahrhaft himmlischer Anblick. Ich habe gehört, dass selbst eingefleischte Vegetarier in der Veggie-Hochburg Gent davon beeindruckt waren. Schließlich sehen die Ganda-Schinken eh aus wie gemalt.

Großer Genuss auf engem Raum

Es sind aber nicht nur die Schinken, die Feinschmecker in die Alte Fleischhalle nach Gent locken. Ostflandern ist schließlich mit einer Vielzahl weiterer regionaler Produkte gesegnet, die von der EU unter Schutz gestellt sind. 175 solche traditionellen Spezialitäten findet ihr nun hier – alle unter einem Dach. Denn die große Fleischerhalle beherbergt heute das „Zentrum für ostflämische Regionalprodukte“ und bietet so flämische Genusskultur auf engstem Raum. Ihr könnt die regionalen Spezialitäten wie den malerischen Schinken nicht nur bestaunen, sondern auch kosten und kaufen. Ein beliebtes Mitbringsel aus Gent, das ihr hier ebenfalls bekommt, ist der Tierenteyn-Senf. Dieser wird seit 1818 im Familienbetrieb hergestellt und gehört mittlerweile zu Gent „wie die Currywurst zu Berlin“ ­– so erfuhr ich kürzlich in einem Reiseführer. Eine besondere Spezialität ist auch der ostflämische Bierkäse. An Bier kommt man in Belgien ja sowieso nicht vorbei, also warum nicht mal in dieser Form auf Brot genießen? Es ist daher auch kein großes Wunder, dass ihr hier eine Reihe ostflämischer Regionalbiere findet. Und dann wäre da noch der Korn O’de Flander, der mit einem Alkoholgehalt von mindestens 35 Prozent gebrannte Genever, den ihr in der Fleischhalle gleich von verschiedenen Herstellern bekommt.

Schneebälle und andere Leckereien

Wer es gern süß mag, der ist in der Alten Fleischhalle ebenfalls genau richtig: Hier gibt es die berühmten Genter Schneebälle, eine köstliche Süßigkeit mit einer Füllung aus Vanille, mit Zartbitterschokolade überzogen und in Puderzucker gewendet. Und natürlich Cuberdons! Das sind kleine, meist mit Himbeergelee gefüllte kegelförmige Süßwaren, die aussehen wie eine Nase und außerhalb von Belgien kaum erhältlich sind.  Wer sich nicht entscheiden kann, kann sich übrigens auch einen Geschenkkorb mit diversen Leckerbissen zusammenstellen.

Mein Tipp: Ihr könnt alles im dazugehörigen Restaurant gleich vor Ort kosten und dabei die Vielfalt der regionalen Köstlichkeiten probieren. Ich bin mit einem „Ostflämischen Frühstück“ sehr genussvoll und glücklich in den Tag gestartet. Denn schließlich hatte ich dabei auch ein Stück Himmel auf dem Teller.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Back to Future – Das Brussels Beer Project

von Kirsten

Bier gehört in Flandern zur DNA, könnte man sagen.

Das liegt nicht nur daran, dass in Leuven der weltweit größte Brauereikonzern seinen Sitz hat. Sondern sicher auch an der unglaublich vielfältigen Brauerszene, die flämische Klosterbrüder, traditionsreiche Familienbetriebe, ambitionierte Feinschmecker und innovative Genusshandwerker umfasst und die für immensen Variantenreichtum und Aromavielfalt sorgt. In unzähligen Mikrobrauereien zeigen diese, dass Bier nicht gleich Bier ist. Kein Wunder, dass die UNESCO das belgische Bier 2016 zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt hat. Ein besonders mutiges und innovatives Brüsseler Brau-Unternehmen möchte ich euch hier vorstellen. Denn, wer macht schon Bier aus Brot und Brot aus Bier?

Brussels Beer Project Brasserie, © Brussels Beer Project

Das „Brussels Beer Project“

Es begann im Jahr 2013, als sich eine Gruppe leidenschaftlicher Bierliebhaber zum „Brussels Beer Project“ zusammenschloss. Das erklärte Ziel: neue Geschmacksrichtungen zu kreieren und die Grenzen des Bieres zu erweitern. Und das tut das BBP seitdem kräftig, mit der finanziellen Unterstützung von heute 2500 Crowdfundern und mit einer ganzen Menge Enthusiasmus und ökologischer Überzeugung. Seit 2015 betreibt die Gruppe eine eigene Brauerei in der Rue Antoine Dansaert in Brüssel und mischt die belgische Craft-Bier-Szene tüchtig auf. Nicht nur mit einer Reihe ausgefallener Biersorten – mit so klangvollen Namen wie „Wunder-Lager“ oder „Jungle-Joy“ – sondern vor allem mit dem „Babylone, dem ersten Bier, das aus Recyclingbrot gebraut wird.

© Brussels Beer Project

Damit stellt das BBP gerade unter Beweis, dass man in dem traditionsreichen Handwerk auch ganz schön innovativ sein kann. Dabei ist die Idee gar nicht so neu: Die Herstellungsmethode geht auf babylonische Zeiten vor 7000 Jahren zurück, als Bier durch den natürlichen Gärungsprozess aus Brot entstand. Unter dem Motto „Back to future“ verwerten die Bierbrauer vom BBP nun fermentiertes liegengebliebenes Weißbrot, mahlen es und brauen es mit verschiedenen Malzsorten und Hopfen ein. Das Ergebnis: ein bernsteinfarbenes, leicht trübes Bier mit einer Schaumkrone, die blumig, nussig, holzig und – wen wundert’s? – nach Röstaromen von Brot riechen soll. Probiert doch mal bei eurem nächsten Besuch in Brüssel, ob ihr auch die „Noten von Karamell und Pinie“ herausschmeckt, die Bierexperten dem Bier nachsagen.

Apropos schmecken:

Das BBP führt den Kreislauf zur Müllvermeidung und zum Umweltschutz sogar noch weiter: So werden auch die beim Brauprozess anderer Biersorten verwendeten Malzkörner (das größte Neben- bzw. Abfallprodukt der Bierindustrie) nach dem Aufbrühen wiederverwendet: Ziel ist es, 80% der verarbeiteten Körner zu trocknen, durch Upcycling wieder dem Ernährungskreislauf zuzuführen und somit bis zu 40 Tonnen Müll pro Jahr zu sparen. In zwei Partnerbäckereien wird aus diesem besonderen Mehl Brot gebacken. Ihr könnt euch die Körner oder das Mehl aber auch in der Schankstube in Dansaert abholen und zuhause selbst verarbeiten. Die passenden Rezepte für Kekse, Müsli oder Waffeln liefert das BBP gleich mit.  

Team des Brussels Beer Projects, © Brussels Beer Project

Was mich besonders freut: Das Brussels Beer Project ist nicht nur innovativ, sondern auch ziemlich erfolgreich: Mittlerweile gibt es sogar schon Standorte in Paris und Tokio. Und 2020 soll eine weitere Brauerei mit einer Produktionskapazität von bis zu 10 Millionen Flaschen im Brüsseler Vorort Anderlecht entstehen, ebenfalls wieder mit Unterstützung aus dem Internet.

Weitere Informationen zum Projekt findet ihr hier…

Antwerpen, Flandern, Jan-Kai Vermeulen, Kulinarik

Champagner der Arbeiterklasse – Die abenteuerliche Geschichte der Seef Brauerei in Antwerpen

von Jan-Kai

Sechs Jahre lang hatte er für den Leibhaftigen gearbeitet. Johan van Dyck war Marketingdirektor bei Duvel-Bier. Er tat das so erfolgreich, dass ihn das Magazin Trends einmal zum PR-Manager des Jahres in Belgien kürte. Dann blätterte van Dyck, heute 42, zufällig in einem Buch.

Das Buch behandelte die vergessenen Brauereien in van Dycks Heimatstadt Antwerpen, weit mehr als hundert gab es bis Ende des 19. Jahrhunderts. Die meisten brauten Seefbier, las er, den „Champagner der Arbeiterklasse“, wie man sagte. Seefbier? Niemand wusste mehr etwas davon. Rezepte? Verschollen. Nur der Name Seefhook, also Seefviertel, gleich nördlich der historischen City war geblieben. Da standen die Sudkessel.

Johan van Dyck suchte. Er fand ein weiteres Buch mit alten Bierrezepten – was fehlte, war Seefbier. Drei Jahre lang forschte er in Archiven, besuchte alte Brauerfamilien und Seniorenheime. Erfolglos. Bis er auf einem Dachboden in einem alten Schuhkarton („Das war wie ein Einschlag aus heiterem Himmel“) den großen Treffer landete. Irgendwer hatte ein Seef-Rezept handschriftlich notiert – Buchweizen muss hinein, eine besondere regionale Hopfensorte, vor allem sehr spezielle alte Hefen.

© Johan v. Dyck via P. Eichhorn

Van Dyck war elektrisiert. Er kontaktete die führenden Brauereiwissenschaftler an der Uni Löwen, und tatsächlich: Man wurde in alten Hefebanken fündig. 2011 erste Brauversuche. Mit hinreißenden Ergebnissen. Begeistert eröffnete van Dyck seinem Arbeitgeber, er wolle fortan nebenher hobbybrauen. Weniger elektrisiert meinten die Teufelsmanager: „Das kannst du noch mit 65 machen.“ Johan van Dyck kündigte den Job.

Spätestens mit diesem Tag begann die verblüffende Erfolgsgeschichte der heutigen Antwerpse Brouw Compagnie. 2012 öffentliche Erstverkostung im Antwerpener Rathaus. Der Bürgermeister feierte das Bier als „kulturelles Erbe“ der alten Stadt. Nach wenigen Tagen war alles weggetrunken. Neider glaubten schon an „künstliche Verknappung“, ein Marketingtrick. Nichts da, sagte van Dyck. „Die Leute waren einfach verrückt danach“, sagt heute Johans Ehefrau Karen Follens, 41.

Die Fremdproduktion (bei der alten Roman-Brauerei in Oudenaarde) lief an, weil eigene Großbraukessel fehlten. „Ein Gottesgeschenk“, sagt van Dyck, „dass die dort genau die Installationsanlagen hatten, um das über hundert Jahre alte Bier herzustellen und wir sie nutzten durften“. Schnell wurde Seefbier international bestaunt und testgetrunken. Sieben Mal nahm man an Wettbewerben teil, schlechtestes Ranking: Platz 1. Also immer die Goldmedaille – auch beim World Bier Award in San Diego, „obwohl wir selbst gar nicht vor Ort waren“, sagt Follens.

Letzter Schritt: Die eigene Brauerei. Große Firmen als Teilhaber kamen nicht infrage, dafür kennt van Dyck das Braubusiness zu gut. So etwas fange gut an, aber dann werde von Kostendruck gesprochen, Rezepturen verbilligt. „Die downsizen schnell, verkaufen dich womöglich. Da kann man nur verlieren.“ Also kramte man „alle Sparcents“ zusammen, legte ein Crowdfunding für tausend Leute auf (lebenslange Bierbelieferung gegen Teilhaberschaft von 150-1000 Euro) und pachtete im Antwerpener Hafengebiet, nicht weit vom MAS (Museum Aan Stroom), eine Pumpstation aus dem 19. Jahrhundert.

Der unscheinbare Backsteinbau wurde ausgebaut zu einem schickem Braucafé und Nachbarschaftstreff, davor ein Biergarten. Seit August 2017 entsteht das neue Seefbier in einer silbern blitzenden eigenen Brauanlage (Kapazität: 30.000 Hektoliter/Jahr) direkt vor den Augen der Gäste. Viele Crowdfunder kommen immer mal wieder auf ein Bier vorbei. „Die glauben an uns. Das ist wie eine große Familie“, sagt Karen Follens.

Man merkt der Brauerei die PR-Kunst ihres Inhabers an. Braukompagnie – welch frischer alter Begriff. Es gibt ein ausgeklügeltes und ansprechendes Corporate Design in der Werbung, auf den Flaschen. Der Pater auf dem Etikett trägt Sneakers.

Mittlerweile haben Bierhistoriker auch geklärt, warum das alte Seefbier ausstarb. Pils war plötzlich angesagt, einfacher herzustellen und besser zu lagern durch neuartige Pasteurisierung. Es konnte industrialisiert in größeren Mengen hergestellt werden und überschwemmte auch Flandern mit konkurrenzlosen Preisen. Ein Fall von früher Globalisierung: Masse statt handwerklicher Feinarbeit. Weiterlesen …

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Limburg

Ein fruchtbares Fleckchen Flandern: Die Heimat des Stroop

von Kirsten

Man soll ja keine Äpfel mit Birnen vergleichen, aber man kann sie getrost in einen Topf werfen! Das machen etwa die Obstbauern im Haspengau, einer Region im Süden der Provinz Limburg, schon seit mehr als 150 Jahren. Das Ergebnis: der legendäre „Stroop“ ein Fruchtsirup. Auch ich kannte bisher weder die Region noch die süße Limburger Spezialität – bis ich mich auf eine leckere naturnahe Erkundungstour begeben habe.

Der Haspengau ist – nach Südtirol – die größte Obstregion Europas. Die Region, die auch „Obstgarten Flanderns“ genannt wird, erstreckt sich zwischen Hasselt, Sint-Truiden, Tongeren und dem Voerenland. Im Süden und Osten bildet die Maas eine natürliche Grenze. Die Region ist dünn besiedelt, die Landschaft einfach malerisch: sanfte Hügel mit Obstgärten und dazwischen die geschwungenen Mauern wie von Burgen – meinst stammen sie von befestigten Bauernhöfen. Und überall Obstbäume und -sträucher. Sogar Wein wächst hier. Schließlich bietet der fruchtbare Boden beste Bedingungen. Das ganze Jahr über kann man – dem Erntekalender entsprechend – die Region immer noch etwas anders erleben.

Ein absolutes Highlight ist die Obstblüte im April, wenn sich die Landschaft in ein riesiges buntes Blütenmeer verwandelt. Mir gingen beim Anblick Augen und Herz auf. Es gibt auch eine eigene Fahrradroute durch die „Terra Fecunda“, das bedeutet soviel wie „fruchtbares Land“. Im Gemeindehaus von Alken, im Norden von Limburg, könnt ihr Euch dazu einen „Verhalenfluisteraar“ ausleihen. Dieser Geschichtenflüsterer ist ein Gerät, das ihr an Euer (Leih-)Fahrrad klemmen könnt und das euch beim Radeln mit Hintergrundinfos, Musik, einem Hörspiel und mit Tipps versorgt. Auf dem kleinen Monitor zeigt es auch kleine Filmausschnitte von besonderen Punkten der Route.

Eine ganz besonders originelle Art, im Sommer die Natur im Flämischen Obstgarten hautnah zu genießen, bietet das Hotel Ri Coëme in Sint-Truiden, der Hauptstadt des Haspengaus, in diesem Jahr zum ersten Mal an: „Glamping“. Die fünf luxuriösen Zweipersonenzelte sind ausgestattet mit bequemem Boxspringbett, frischen Laken und gemütlicher Beleuchtung. Im nächsten Sommer könnt ihr den Logenplatz an der Obstwiese wieder genießen – für dieses Jahr ist alles ausgebucht.

Im Juni und Juli könnt ihr den Obstbauern zuschauen, wenn sie die Kirschen, Himbeeren und Erdbeeren ernten. Von August bis Oktober folgen Äpfel, Birnen und Trauben. Weiterlesen …

Antwerpen, Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Leuven

Haute Dogs – Was Foodies Marlon Brando zu verdanken haben

von Kirsten

Als ich das letzte Mal in Flandern war, bin ich auf den Hund gekommen, und zwar einen ganz besonderen: den Haute Dog. Vielleicht habt ihr schon von diesem neuen Foodtrend gehört. Denn nicht nur Burger und Fleischbällchen kann man auch ganz anders, also mit frischen Zutaten, gesund und lecker herstellen, sondern auch Hot Dogs. Der Klassiker des Fastfoods erlebt gerade eine Renaissance, oder sagen wir besser: er wird ganz neu erfunden. Gourmet-Hotdogs sind zur Zeit der Renner auf Streetfood-Festivals, sie begeistern Foodies auf der ganzen Welt. Flandern ist hier ganz weit vorn, schließlich gibt es hier schon ein Restaurant, das Würst, das sich ausschließlich den ‘Haute Dogs’ widmet.

Wenn ihr einmal, wie ich eine der ungewöhnlichen Variationen bei Würst probiert habt, werdet ihr künftig bei Ikea am Ausgang nur noch milde lächeln und am Hot Dog-Stand kopfschüttelnd vorbeischlendern. Denn statt Wurst, Gurke und Ketchup kommen im Würst auch mal ganz andere Zutaten auf das Brötchen, wie zum Beispiel Pulled beef, Relish, Jalapeños, Ruccola oder Avocadocreme. Das hat mit Fastfood nicht mehr viel zu tun. So kommt bei Würst sicher jeder auf seinen Geschmack. Auf der Karte findet ihr alle möglichen Varianten vom „Dog Monsieur“ über den „Bacon Bearnaise“  bis zum „Memphis Soul“. Natürlich gibt es auch den klassischen Hot Dog, also fast: Der „Classig Dog“ wird mit Sauerkraut gereicht. Alle Kreationen gibt es auch glutenfrei und als Veggie-Version.

Haute Dog Mexico (c) Piet de Kersgieter

Die Idee für das Würst kam Jeroen Meus übrigens nach einer Folge seiner Fernsehkochshow „Plat Preféré“. In jeder Episode reiste Meus in das ehemalige Zuhause einer verstorbenen Berühmtheit, um das Lieblingsgericht dieser Persönlichkeit in Gesellschaft von Familienmitgliedern oder Freunden zu kochen. So kam es, dass er einen Hot Dog zu Ehren von Marlon Brando zubereitete. Seitdem hatte der Koch den großen Wunsch, eine raffiniertere und reinere Version des klassischen Snacks zu kreieren. Zurück in Leuven begeisterte er Filip Rondou, den besten Metzger der Stadt, von seiner Vision. Gemeinsam entwickelten sie die perfekte Wurst für Würst. Anschließend ließ sich Meus in der Biobäckerei De Trog in die Handwerkskunst des perfekten Brötchenbackens einführen und schuf die zu den Haute Dog Rezepten passenden Brotsorten. Bereits 2015 öffnete in Leuven das erste Würst- Restaurant, 2016 kam eine Filiale in Gent dazu. Mittlerweile gibt es noch einen Ableger in Antwerpen.

Mein Tipp: Lasst Euch im Würst einfach mal einen Haute Dog auf der Zunge zergehen. Am besten in Leuven, denn das bietet sich gerade eh für eine Genusstour an. Denn jedes Jahr Anfang August (so auch am 5. August 2018) stellt Leuven beim Foodfestival Hapje-Tapje sein kulinarisches Angebot vor. An diversen Ständen auf dem Oude Markt bieten Restaurants in Leuven kleine Häppchen. Da könnt ihr nach Herzenslust naschen und probieren und dabei auch viele Spezialbiere kosten. Und am Nachmittag geht’s um die Wurst, Quatsch um den Spaß, wenn die Barmänner und -frauen beim traditionellen Barkeeper-Race um die Wette rennen.

 

Antwerpen, Brüssel, Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Leuven

Wim Ballieu – der Meister der belgischen Streetfood-Kultur

von Kirsten

Warum heißen Pommes Frites im Englischen eigentlich „French Fries“? Das ist Wim Ballieu vollkommen unverständlich. Wenn überhaupt müssten sie „Belgian Fries“ heißen, meint er. Stimmt, würde ich hinzufügen, denn nirgendwo sonst wird die Fritten-Kultur so gelebt wie in Belgien. Fritten sind sowas wie der Streetfood Inbegriff. Und in Flandern gibt es einen Koch, der ist so etwas wie der Streetfood-Bocuse (wenn man dann schon Frankreich ins Spiel bringen will). Grund genug, ihn hier einmal genauer vorzustellen.

Der Balls & Glory Foodtruck im Einsatz

Für den 36-jährigen Küchenchef sind Pommes Frites zwar Streetfood (und das schon lange bevor es den Namen überhaupt gab), aber eben kein Fast Food, sondern Ausdruck einer ausgeprägten Genusskultur. Authentisch, natürlich, handgemacht und in Ruhe zubereitet – also eigentlich sogar Belgian Slow Food. Das ist die Mission von Wim. Er liebt Fritjes, hat sich aber auf eine andere Spezialität verlegt: Seit 2012 bereitet er in seinen Restaurants und seinem eigenen Streetfood-Truck einfache, schmackhafte flämische Gerichte in einem neuen Gewand zu. Vergesst alle die Fleischbällchen, die ihr je an irgendwelchen Automaten gezogen habt.

Und seid gespannt auf einen unvergleichlichen Genuss: „Balls & Glory“ (der Name ist Programm!) könnt ihr in Gent, Antwerpen, Brüssel und Leuven und am Food-Truck kosten, der bei diversen Stadtfesten Station macht. (Termine)

In Video erklärt Wim genauer, welche Philosophie dahinter steckt. Seine Großeltern betrieben einen Bauernhof, seine Eltern eine Metzgerei. Wim wollte etwas Neues machen, etwas Moderneres, wie er sagt, und lernte Kochen auf hohem Niveau. Doch der ausgebildete Profikoch verabschiedete sich schnell wieder von der exklusiven Gastronomie und besann sich auf seine Wurzeln: Für ihn darf gutes Essen eben nicht elitär sein. Im Gegenteil: „Gutes Essen ist ein Grundrecht“, sagt er. Und so machte es sich Wim zum Ziel, ein Stück Farm der Großeltern in die pulsierenden Städte Flanderns zu bringen. Streetfood, so sagt Wim Ballieu, gibt es ja eigentlich seit es Straßen gibt. „Ich möchte einfach eine Kultur auf die Straße bringen – eine Kultur, die mehr zu bieten hat, als man denkt: Esskultur“. Und das gelingt ihm ziemlich gut. Wer schon mal bei ihm gegessen hat, der weiß, was ich meine: Seine handgemachten Fleischbällchen sind einfach Kult!

Vier Sorten gibt es jeden Tag zur Auswahl. Auch hier legt Wim die Messlatte hoch. Er verwendet nur frische Zutaten aus der Region und hat natürlich auch vegetarische Bällchen im Angebot. „Wir leben und kochen mit den Jahreszeiten“, erklärt Wim Ballieu. Jedes Jahr kreiert er neue Kollektionen mit den saisonalen Produkten: Die Füllungen reichen von klassischen Varianten wie „Tomate“ oder „Liegeoise“ bis zu eher ungewöhnlichen Kombinationen wie „schwarze Oliven & Anchovies“ oder mit getrockneten Tomaten, Chicorée oder Apfelkompott – Wims persönlicher Favorit ist übrigens das Rhabarber-Bällchen.  Egal, womit die Bällchen gefüllt sind, jedes wird 27 Minuten im Heißluftofen gebacken – auch eine Version von Fast Food in der Slow-Food-Ausführung.

Also, nichts wie hin und bei Eurem nächsten Flandern-Trip und Balls & Glory genießen! Und wenn ihr dann noch nicht satt seid, dann könnt ihr ja – so der Tipp von Wim – nur wenige Häuser entfernt von der Brüsseler Dependance des Balls & Glory die French Fries im „Fritland“ probieren. Man munkelt, das seien die besten in ganz Belgien. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte …

Wim isst belgische Fritjes am liebesten aus der Tüte.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Leuven

The place to beer – Ein Prost auf Leuven!

von Kirsten

Die Stadt mag klein sein, aber in Sachen Bier ganz groß! Nur rund 100.000 Menschen leben in Leuven, 20 Kilometer östlich von Brüssel, aber in ihren Adern – so denke ich – muss gelbes Blut fließen. Schließlich kommt man in der heimlichen Bierhauptstadt der Welt am Genuss von Gerstensaft kaum vorbei. Gerade im April ist es wohl schier unmöglich, denn dann ist Leuven wieder „the place to beer“! Und den möchte ich heute hier vorstellen.

Jedes Jahr pilgern Bierfans aus aller Welt nach Flandern. Und das zu Recht, denn an den Bierwochenenden in Leuven (die hießen bis letztes Jahr „Biermonat Leuven“) kann man belgische Braukunst bis zum Abwinken genießen. Ihr könnt große Bierevents besuchen oder an Kneipentouren, Bier-Wanderungen, Seminaren und Verkostungen teilnehmen und bekommt einen Eindruck von der Vielfalt und Geschichte der belgischen Biere. Und die ist weltweit einzigartig – nicht umsonst hat die UNESCO das belgische Bier im Dezember 2016 auf die Liste des Immateriellen Weltkulturerbes gesetzt.

© Tim Buelens

Den Auftakt der Bierwochenenden bildet am 14. und 15. April das  Leuven Innovation Beer Festival. Hier stellen die Handwerker unter den Braumeistern ihre Craft-Biere vor. Wie der Name schon sagt, kommen hier vor allem Liebhaber von innovativen Bieren – egal ob es sich um die Herstellung, die verwendete Technik oder sogar nur um die Verpackung geht – auf ihre Kosten. Schon der Veranstaltungsort ist eine Pilgerstätte für Bier-Fans: Das Event findet in der alten Brauerei De Hoorn statt – dort wo vor fast 100 Jahren das erste Stella-Bier gebraut wurde (Stella-Artois gehört übrigens heute zu Anheuser-Busch InBev, der weltgrößten Brauereigruppe, die ihren Sitz ebenfalls in Leuven hat). Weiterlesen …

Antwerpen, Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik, Neu auf dem Flandern-Blog

Haute Cuisine ganz ohne Chichi – Kitchen Rebel Dennis Broeckx

„Ich denke, ich bin ein wenig rebellisch, sonst hätte ich in meinem Restaurant wohl weiße Tischdecken, andere Kellner und eine klassische Weinkarte“ – so beschreibt sich Dennis Broeckx, ein junger Küchenchef aus Antwerpen, selbst. Mit dieser Einstellung befindet sich der 33-jährige Koch in Flandern in bester Gesellschaft. Als einer von 53 Kitchen Rebels, einem Netzwerk von innovativen und kreativen Küchenchefs unter 35, mischt er derzeit die flämische Gastroszene auf. „Mit allem Respekt für die ältere Generation“, wie er selbst sagt. In seinem Restaurant ‚L‘Épicerie du Cirque – ausgezeichnet mit einem Michelin-Stern und 14 Punkten im Gault Millau – könnt ihr euch persönlich davon überzeugen lassen, wie cool Haute Cuisine sein kann. Weiterlesen …

Antwerpen, Brüssel, Flandern, Gent, Jan-Kai Vermeulen, Kulinarik, Kultur

Nah am Paradies – Gourmetköche und ihre Hingabe zu Sterne-Fritten

von Jan-Kai

Wir sind ganz oben im Antwerpener MAS (Museum am Strom). Was für eine Aussicht über Hafenlandschaft und Altstadt! Und jetzt noch diese Aussicht: auf das Lunch hier oben im kühl-modernen Edelrestaurant »t ’Zilte«. Gebutterte Jakobsmuscheln mit Tupfern aus Kartoffelselleriesahne und winzige Steinpilz-Hostien werden gereicht, dazu elf verschiedene Sorten knusprigsten Brotes. Chefkoch Viki Geunes hat zwei Michelin-Sterne. Er kann über „ausgewogene Gesamtkompositionen“ philosophieren, über „Techniken in Balance“ – und, als ich ihn darauf anspreche, über Fritten.

Natürlich, sagt er, serviere er sie bisweilen auch und beginnt am Tisch ein kleines Referat. In einer „eigenen ausgewogenen Fettmischung“ aus pflanzlichem und tierischem Öl (Details natürlich Geheimsache) müssten die Kartoffelstangen gebrutzelt werden: „Ohne Rinderfett geht es nicht, man braucht den leicht animalischen Geschmack.“ Er verwende Bintje-Kartoffeln, selbstverständlich handgeschnitten, ohne normierende Maschine. Weiterlesen …

Brügge, Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Dominique Persoone, der etwas andere Chocolatier

Dominique Persoone mit Chocolate shooter, © milo profi
Ein Schuss Schokolade

Manchmal geht Liebe durch die Nase – das sagte sich wohl auch Dominique Persoone, einer der angesagtesten Chocolatiers in ganz Belgien. Mit seinem eigens für die Rolling Stones angefertigten Chocolate-Shooter hat er sich im wahrsten Sinne des Wortes in die oberste Liga der flämischen Genusshandwerker katapultiert. Diese ungewöhnliche Maschine schießt dem Benutzer feinen Schokoladenstaub direkt in die Nase. Ich will Euch den Rockstar unter Flanderns Chocolatiers und Erfinder zahlreicher weiterer ungewöhnlicher Kreationen hier vorstellen. Aber Vorsicht! Ich warne hier schon vorab ausdrücklich: Die Lektüre dieses Artikels kann nicht nur zu unkontrolliertem Speichelfluss und Heißhunger auf Pralinés und andere edle Kakao-Naschereien führen, sondern auch zu einer spontanen Reise in die Schokoladenhauptstadt Brügge!

Dominique Persoone – Schoko-Rock ‘n Roll

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