Einer der Höhepunkte des Barockjahres 2018 in Antwerpen wird die Ausstellung „Sanguine | Blutrot“ im M HKA sein, bei der Barockmeister mit zeitgenössischen Spitzenkünstlern konfrontiert werden. Der Kurator der Schau ist selbst Künstler: niemand anderes als der in Antwerpen lebende Luc Tuymans, einer der einflussreichsten Maler der Gegenwart. Ich möchte die Ausstellung zum Anlass nehmen, euch diesen zeitgenössischen flämischen Meister einmal genauer vorzustellen.
Der 1958 in einem Vorort von Antwerpen geborene Künstler hat viele Bewunderer, aber nicht jeder kann seiner Kunst etwas abgewinnen. „Ausgebleicht die Oberflächen, blutleer und schwindsüchtig, lauter Bilder im Trüben, nebelverhangen“ so urteilte etwa Hanno Lauterberg vor einigen Jahren in der ZEIT über Tuymans Bilder. „Der Belgier Luc Tuymans ist nicht nur Maler, sondern einmal mehr auch ein begnadeter Inszenator des Schreckens“ meinte dagegen Jenny Hoch 2008 im SPIEGEL. Damals richtete ihm das Münchner Haus der Kunst anlässlich seines 50. Geburtstages gerade eine große Werkschau aus. Für Hoch ist Tuymans „Der Maler des Unmalbaren“, der das Grauen auf die Leinwand bannt. Sein beklemmendes Werk (seine Themen reichen von Holocaust, über Brustkrebs, bis Kindesmissbrauch) habe ihn zum Star gemacht.
Eine Erklärung für die Themenwahl mag in seiner Familie und seiner Kindheit zu finden sein:
Er ist das Kind einer Niederländerin, deren Familie im Widerstand gegen den Nationalsozialismus tätig war; die Familie des Vaters hingegen war den Nationalsozialisten verbunden. Die sich daraus ergebenden Kontroversen haben Tuymans wohl ebenso beeinflusst wie seine Erinnerungen an eine Schulzeit, die von Schmähungen und Gewalt seitens seiner Mitschüler geprägt war.
Egal, wie man nun zu Tuymans Farb- und Themenwahl steht, als Star kann man den Künstler, der seine Inspirationen an den unterschiedlichsten Orten – von Werken flämischer Meister bis zu modernen Massenmedien – findet, ganz bestimmt bezeichnen. Schließlich sind seine Werke in bedeutenden Ausstellungen und Sammlungen auf der ganzen Welt vertreten. Die Liste liest sich wie das „Who is Who“ der internationalen Museumslandschaft: Seine Bilder hängen etwa im Museum of Modern Art und im Guggenheim Museum in New York, im Centre Pompidou in Paris und im Hamburger Bahnhof in Berlin. Spätestens mit der Präsentation seiner Werke im Belgischen Pavillon der Biennale von Venedig im Jahr 2001 sowie mit der Beteiligung an seiner zweiten documenta im Jahr 2002 hat sich Tuymans endgültig als einer der gefragtesten und prägendsten Maler seiner Generation etabliert. Und ganz objektiv kann man sagen: mit seiner zurückgenommenen Farbigkeit und der Direktheit seiner Bildinhalte hat er eine ganze Generation von jüngeren Malern beeinflusst, sein Stil hat die traditionellen Genres der Alltags- und historischen Malerei neu definiert.
Ich bin gespannt, wie Luc Tuymans in seiner Ausstellung in Antwerpen die Bilder in Beziehung setzt. Und welche Kontraste entstehen, wenn die alten Flämischen Meister auf die neuen treffen. Auf jeden Fall wird es bei „Sanguine | Blutrot“ sicher alles andere als grauenvoll oder blutleer zugehen. (Übrigens: sanguis ist das lateinische Wort für Blut und ein Sanguiniker ist ein lebhafter, temperamentvoller, meist heiterer, lebensbejahender Mensch).
Ein Bild von Tuymans könnt ihr euch bereits jetzt in Antwerpen machen: Auf dem Platz vor dem Museum aan de Stroom (MAS) findet ihr das einzige Bild des Künstlers, das jederzeit zugänglich ist: das 1600 Quadratmeter großes Mosaik ‚Dead Skull’. Den besten Blick habt ihr vom MAS-Boulevard in der 5. Etage. Es besteht aus fast 100.000 Steinen aus allen Ecken der Welt in 11 verschiedenen, aber zugegeben, eher blassen Farbtönen.