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Bruegel

Brüssel, Flämische Meister, Flandern, Kultur

Zum 450. Todestag von Pieter Bruegel d. Ä.

Wenn Engel fallen und Fische fliegen

von Kirsten Lehnert

Es klingt irgendwie komisch, wenn man sagt, dass man einen Todestag feiert. Sagen wir also lieber: wir begehen ihn. Oder wir würdigen den Mann, der am 9. September 1569 – also vor genau 450 Jahren – in Brüssel gestorben ist: Pieter Bruegel der Ältere, der flämische Meister, der mit seinen Bildern die Kunstwelt nachhaltig geprägt hat. Seit einigen Monaten berichten wir an dieser Stelle schon über die zahlreichen Ausstellungen und Aktionen anlässlich dieses Jubiläums. Aber es gibt immer noch Neues zu erleben und entdecken. Im Frühjahr habe ich Euch schon durch Brüssel geführt, wo der flämische Meister einen Großteil seines Lebens verbracht hat. Nun möchte ich diesen Rundgang fortsetzen und Euch noch ein paar Tipps für den Herbst geben.

Beyond Bruegel
Beyond Breugel, © Plein publiek

Eintauchen in Bruegels Welt

Von seinem großen Vorbild Hieronymus Bosch inspiriert hat Bruegel zeitlebens sehr detailreich gemalt. Um all die kleinen Bilder im Bild zu erkennen, muss man schon ganz genau hinsehen. Die Multimedia-Inszenierung „Beyond Bruegel“ kam mir da sehr entgegen. Hier kann man im wahrsten Sinne des Wortes in Bruegels Welt und seine Wimmelbilder eintauchen. Die Bilder werden in einer 360 Grad-Installation in gigantischer Auflösung großflächig an die Wände projiziert und animiert. So werden auch die kleinsten Details aus Bruegels Werk sichtbar. Da fallen die Engel herab, fliegen Kugelfische durch die Luft und über den Fußboden ergießen sich virtuelle Wellen. Wer immersive art noch nicht erlebt hat, kann sich hier auf ein ganz neues Kunst-Gefühl freuen. „Beyond Bruegel“ ist noch bis Januar 2020 im Dynastiegebäude auf dem Kunstberg zu sehen.

Durch das „Hallepoort“ in ein neues Bruegel Universum

Hallepoort

Ein weiteres virtuelles Tor ins Bruegel Universum öffnet sich am 19. Oktober im „Hallepoort“. Im mythenumwobenen Stadttor, das der berühmte Maler früher sicher häufig durchschritten hat, gibt die Ausstellung „Back to Bruegel“ spannende Einblicke ins 16. Jahrhundert. Dort werden auch Originalschätze aus der Neuen Welt, Musikinstrumente und wissenschaftliche Messgeräte präsentiert, wertvolle Leihgaben aus den Königlichen Museen für Kunst und Geschichte. Von Eurer Zeitreise könnt Ihr Euch in einem der gemütlichen Lokale am Fuße des Stadttores, etwa der Brasserie Bruegel, erholen. Zugegeben, anlässlich des Jubiläumsjahres „bruegelt“ es in Brüssel an fast jeder Ecke – zahlreiche Restaurants bieten „Bruegel-Menüs“ an, das traditionelle Sauerbier Lambic wird nun als „Bruegel-Bier“ angepriesen und in diversen Schaufernstern entdeckt man den großen Meister – aber dieses Lokal hieß  auch vor dem Jubiläumsjahr so.

Brasserie Brueghel

Aber zurück zum Künstler selbst. Dieser war, was Wenige wissen, weit mehr als der „Bauernbruegel“ mit seinen vielfarbigen Gemälden. Im Laufe seines Lebens gestaltete er ungefähr sechzig Drucke (als Grafiker war er also weit produktiver als als Maler): Es waren die Drucke, die seinen Weltruhm begründeten und Bruegel spielte eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der  Druckgrafik in Flandern, das sich Mitte des 16. Jahrhunderts zum internationalen Zentrum für die Herstellung von und den Handel mit Drucken entwickelte. Die Königlichen Bibliothek Brüssel ist im Besitz einer einzigartigen Sammlung von Bruegels Arbeiten auf Papier. Die schönsten Stücke werden nun exklusiv für die Sonderausstellung „Bruegels Welt in Schwarz und Weiß“ aus dem Lager geholt. Ihr könnt sie ab dem 15. Oktober in der Königlichen Bibliothek Brüssel sehen.

Die Bruegel Street Art Route

Street Art Bruegel Guitar Rue de la Rasière – Sistervatstraat
© visit.brussels, Jean-Paul Remy, 2019

Zwischen all diesen Museumsbesuchen empfehle ich euch, einfach mal durch die Straßen der Stadt zu schlendern. Wer die Augen offen hält und hochschaut, kann auch entdecken, wie der alte Meister noch heute junge Künstler inspiriert. Mein Tipp: folgt einfach der Bruegel-Street-Art-Route, die 14 ganz unterschiedliche Kunstwerke umfasst.

Ein Abstecher nach Antwerpen

Zum Schluss empfehle ich noch einen kurzen Abstecher nach Antwerpen. Hier lohnt es sich, der Tollen Grete einen Besuch abzustatten. Wer das ist, und was diese einfache Bäuerin mit einer Madonna zu tun hat, das verrate ich demnächst an dieser Stelle.

Brüssel, Flandern, Jan-Kai Vermeulen, Kultur, Neu auf dem Flandern-Blog

Bei Bruegel, mit Bruegel, wie Bruegel und Bruegel ohne Bruegel

von Jan-Kai Vermeulen

Pieter Bruegel der Ältere lässt sich schon seit Jahren erradeln – auf der Bruegelfietsroute im Pajottenland westlich von Brüssel. Hier war der große Meister häufig mit Pinsel und Leinwand unterwegs, hier hat man später zahlreiche Motive aus seinen epochalen Bildern entdeckt. Jetzt, im Jahr des 450. Todestages (9.9.1569), bietet die Tour einige sehr besondere Attraktionen. Ich mache mich mit meinem Bike auf den 45 Kilometer-Rundkurs.

Die Bruegel-Kirche Sint-Anna Pede, Foto Toerisme Pajottenland & Zennevallei, Luc Bohez

Startpunkt früh am Morgen ist das Besucherzentrum von Sint-Anna-Pede, wo mich bei Rückkehr einer der Höhepunkte der Tour erwarten wird. Los geht es über meist asphaltierte Feldwege meist jenseits vom Autoverkehr. Die Landschaft ist sehr kleinteilig: Wiesen, Äcker, Gehöfte, niedrige Buchenhecken, die Wäldchen, als wäre alles ein Spielzeugland. Plötzlich stehen massive Holztafeln mit Bruegel-Bildern am Rand, ohne Vorwarnung, also Vollbremsung aus der rollenden Behaglichkeit. Hinweise erläutern, was der Meister der postmittelalterlichen Wimmelbilder hier (vermutlich) gemacht hat. Bruegel hat seine Werke – Landschaften, drastische Horrorphantasien oder das beschauliche Dorfleben seiner Zeit – gern aus Collagen vieler Motive komponiert: wilde Kulissen, auch alpine Schroffheiten, Phantastisches – und eben die sanfte Milde des Pajottenlandes. Bruegel, der malende Landschafts-Erfinder.

Eine Augenweide: Floralia rund um Schloss Groot-Bijgaarden

Schloss Groot-Bijgaarden am Rand von Dilbeek liegt drei Kilometer abseits der Radroute. Macht nichts, der Abstecher ist es mir wert. Im Schlosspark ist gerade, wie jedes Jahr, die Floralia gestartet: Mehr als eine Million Blumenzwiebeln sind in der Erde versenkt. Eine Million! Tulpen, Hyazinthen, Narzissen, Gladiolen, dazu seltene Orchideen: Alles was Bruegel an Farben auf der Palette hatte, haben Züchter heute in ihre Blumen gezaubert. Und Bruegel selbst ist in diesem Jahr hier auch allgegenwärtig.

20 seiner berühmtesten Bilder sind im Gelände verteilt, naturnah eingebettet in Arrangements von Blüten, Blättern, Installationen: Getrocknete Blumen und Weizenähren umrahmen zum Beispiel das Bild „Die Kornernte“ im sehr französischen Terrassengarten. Was nicht auf die 14 Hektar Wiesen passte, kam blühend in Gewächshäuser – und dazu etwa Bruegels „Die tolle Grete“ inmitten von rosa Heckenrosen-Ranken. Der 1. Stock des Schlossturms ist als Ess-Saal hergerichtet zum Bild „Die Bauernhochzeit“. Drumherum ist Lavendel ausgelegt. Also: Bruegel riecht auch gut.

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Farbfilm vergessen? Bruegel kann auch Schwarz-Weiß

von Kirsten

Wer an Pieter Bruegel den Älteren denkt, hat meist seine farbenfrohen Gemälde vor Augen. Zwei Ausstellungen in Brüssel präsentieren in diesem Jahr eine ganz andere Facette: seine Zeichnungen und Druckgraphiken. Also: Bruegel in Schwarz-Weiß. Bruegel in klein und auf Papier. Klingt zunächst nicht so spannend. Ich muss ja zugeben, dass ich eine glühende Verehrerin von Bruegels großen, bunten Wimmelbildern bin. Ich war daher eher skeptisch. Würde es mir ebenso viel Spaß machen, Bruegels Welten auf zwei Farben reduziert zu sehen? Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ja!

Ich habe den Praxis-Test gemacht und mir schon vor der offiziellen Eröffnung die Ausstellung „Druckkunst im Zeitalter von Bruegel“ im BOZAR in Brüssel anschauen können. Die zählt zu den großen Bruegel-Ausstellungen, die in den nächsten Monaten im Rahmen der Themenjahre „Flämische Meister 2018-2020“ zu sehen sind. Sie ist nicht nur zeitlich die erste, sie ist auch ein perfekter Einstieg ins Thema. Denn hier versteht man direkt, warum ein Maler wie Bruegel überhaupt in Schwarz-Weiß bzw. mit Druckgraphik arbeitete.

Einer der Gründe heißt schlicht: Marketing. Bruegel „eroberte“ die Welt damals nämlich nicht als Maler, sondern mit seinen gedruckten Zeichnungen. Dank der Erfindung des Drucks konnte sein Verleger und Drucker Hieronymus Cock die „Welten Bruegels“ vervielfältigen, sie relativ schnell und kostengünstig nach ganz Europa liefern und Bruegel so bekannt machen.

Flandern – das Silocon Valley des 16.Jahrhunderts

© Königliche Bibliothek Belgien

Die Erfindung der Druckmaschine damals war einfach revolutionär. Ein Effekt, den man heute mit dem von Facebook oder Instagram vergleichen kann. Flandern war damals DAS Zentrum dieser Revolution – also in etwa das Silicon Valley des 16. Jahrhunderts. Und so zeigt die Ausstellung auch diese spannenden Veränderungen der Zeit. Es entwickelten sich neue Geschäftsmodelle, Arbeiten italienischer Künstler konnten nun problemlos in anderen Ländern gezeigt werden, Trends gesetzt werden. Natürlich erfuhr ich in der Ausstellung auch einiges über die technischen Vorgänge des Drucks. Und nicht zuletzt sah ich faszinierende und teilweise wunderbar skurrile Arbeiten etwa von Albrecht Dürer, Jan Gossaert oder Maarten van Heemskerck.

Jan Gossaert, Caen en Abel © BOZAR

Nun freue ich mich umso mehr auf „Die Welt von Bruegel in Schwarz und Weiß“, wie die Ausstellung in der Königlichen Bibliothek Belgiens in Brüssel heißt, die ab Oktober dort zu sehen sein wird. Sie beeindruckt mich schon vorab durch die schieren Fakten: die Bibliothek zeigt ihren gesamten und einzigartigen Bestand an Bruegels Graphik.

Filigrane Schätze

Da Papier sehr empfindlich ist und die Arbeiten schon jahrhundertealt sind, können die Arbeiten nur sehr selten und wenn, auch nur für kurze Zeit präsentiert werden. Die Blätter müssen nach maximal vier Monaten wieder in den Tresor zurück und vor Licht geschützt werden. Im Falle von Bruegel weiß niemand, wann sie in diesem Umfang das nächste Mal hervorgeholt werden.  Besonders gespannt bin ich auf die Skizzen und Zeichnungen von Bruegel, die auch ausgestellt werden. Jahrhundertealte Papiere mit den Spuren der Zeit, auf denen er mit leichten, wunderschönen Strichen – entweder mit einer Feder oder einem Pinsel – die phantastischen Wesen, die wunderschönen Landschaften oder die beeindruckenden Kompositionen festgehalten hat. Die Zeichnung war für Bruegel oft ein Experimentierfeld. Hier konnte er Themen und Figuren für sich ausprobieren. Und manche davon nahm er schließlich – viel später – in seiner Malerei wieder auf.

Pieter Bruegel d.Ä., Die sieben Todsünden © BOZAR

In Schwarz-Weiß werden auf jeden Fall feine und besondere Einblicke in die Arbeit von Bruegel geboten. Diese bringen mir neben dem Faszinosum des „Exportschlagers“ Druckgraphik den Künstler wieder ein Stück näher.

Brüssel, Flämische Meister, Flandern, Kirsten Lehnert

Begegnungen mit Pieter Bruegel

von Kirsten

Neulich bin ich schmunzelnd aus einer Kirche gekommen. Warum? Weil ich dort eigentlich auf der Suche nach dem Grab von Pieter Bruegel war, stattdessen aber auf eine Reihe ungewöhnlicher Figuren stieß.

Bilder: Kapellerkerk, © Bowling Visit Flanders

Da ragten plötzlich kleine Beinchen aus einem Taufbecken, als wäre gerade ein kleines Männchen zum Schwimmen reingesprungen. Links neben dem Altar entdeckte ich ein behelmtes Wesen, das an einer Säule emporklettert als wolle es sich mit dem steinernen Totenkopf über ihm anlegen. Als ich den Engel sah, der über dem Altarraum in der Luft schwebt, da kam mir die Eingebung. Der Engel hatte nämlich verblüffende Ähnlichkeit mit einer Figur aus meinem Lieblingsbild von Pieter Bruegel „Der Sturz der rebellierenden Engel“.

Ich hatte bei meinem Besuch in Brüssel den Spuren Bruegels folgen wollen und war dabei zwangsläufig in der Kapellekerk gelandet. Der große flämische Meister, der damals um die Ecke dieser Kirche im Marollenviertel wohnte, hat hier geheiratet und wurde auch hier begraben. Aber zurück zu den Figuren. Ich fand nicht nur weitere skurrile Figuren dieser Art in der ganzen Kirche (manchmal muss man schon ganz genau hingucken), sondern am Eingang der Kirche auch die Erklärung dazu: Ein passendes Heft für diese Schnitzeljagd, in dem alle Figuren aufgeführt werden, die es zu finden gilt. Sie stammen allesamt aus Bruegel-Bildern und sind somit Appetithäppchen auf das Bruegel-Jahr, das 2019 anlässlich des 450. Todestags des Malers gefeiert wird.

Den Hunger stillen kann man übrigens nicht erst Ende Februar 2019, wenn die ersten der großen Sonderausstellungen in und um Brüssel eröffnen. Schon jetzt gibt es viele permanente Angebote rund um Bruegel in der Stadt.

Ständig da ist zum Beispiel die Bronzeskulptur direkt vor der Kirche, die den Künstler in Malerpose zeigt und die immer gut für ein Selfie ist. Nur wenige Meter weiter, in der Rue Haute 132, findet ihr das eher unscheinbare Wohnhaus von Pieter Bruegel. Einige Fußminuten von der Kirche entfernt, oben auf dem Mont des Arts, wo einst die mächtigen Mäzene des Künstlers residierten, findet ihr heute zahlreiche Werke von Bruegel im Original.

Die Königlichen Museen der Schönen Künste von Brüssel (KMSKB) etwa besitzen die weltweit zweitgrößte Bruegel-Gemäldesammlung. Hier habe ich mich nach dem ungewöhnlichen Kirchenbesuch noch mal richtig in die Kunst vertieft. Und ich habe tatsächlich einige Figuren aus der Kirche wiedererkannt. Denn schließlich hängt hier im Bruegel-Saal das Originalbild mit den rebellierenden Engeln. Wie viele andere Bruegel-Bilder ist es ein wahres Wimmelbild, das unzählige Geschichten erzählt. Manch winziges (und oft witziges) Detail bliebe einem vielleicht ewig verborgen, wären da nicht die „Unseen Masterpieces“. Das ist eine virtuelle Ausstellung in den KMSKB mit neun Touchscreens, die die Meisterstücke zeigt, wie ihr sie noch nie gesehen habt. Zusammen mit Google wurden 12 Meisterwerke renommierter Museen in einer unfassbar hohen Auflösung – megapixel-genau – aufgenommen und nun so präsentiert, dass man sich so weit in die Bilder hineinzoomen kann, wie man will. In einer „Bruegel Box“ könnt ihr sogar selbst in die Bruegelschen Bilderwelten eintauchen. Denn hier werden die Bilder flächendeckend an die Wände eines eigenen Musemsraums projiziert und erläutert.

Brüssel-Bruegel-Box

Noch ganz beglückt von diesem intensiven Kunstgenuss und von der Tatsache, dass ich so viele meiner neuen Bekannten aus der Kapellekerk wieder getroffen hatte, verließ ich auch das Museum schmunzelnd. Ich hätte nie gedacht, dass alte Meister so viel Spaß machen können!

Brüssel, Flämische Meister, Städte/Regionen

Zeit für neue Perspektiven – Jungbrunnen für alte Meister

Bruegel in Brüssel.

Manche Dinge hat man schon so oft gesehen, sind einem schon so oft begegnet, dass man die Faszination für ihr Detail fast verliert. Manche Dinge haben wir uns aber auch noch nie genau angeschaut oder sie kommen in einer so neuen Form daher, dass sie uns überraschen, obwohl sie uns schon oft begegnet sind. Vielleicht habt ihr euch die alten Meister schon mal angeschaut, aber so wie in der Ausstellung „Unseen Masterpieces“  habt ihr zum Beispiel Bruegel noch nie gesehen! Weiterlesen …