Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kultur

Gravensteen – Geschichte atmen in Gent

von Kirsten

Habe ich schon gesagt, dass Gent zu meinen absoluten Favoriten in Flandern zählt? Das liegt nicht nur an dem von mir hochgeschätzten Design-Museum, der Street Art und dem Vleeshuis, in dem der Himmel schon mal voller Schinken hängt (aber dies ist ein andere Geschichte…. ), sondern auch an der Burg Gravensteen. Als ich das erste Mal in Gent war, war es Dezember und eiskalt. Durchgefroren nach einem ausgiebigen Stadtbummel durch die pittoreske Innenstadt hatte mich mein Weg ganz zufällig hier hingeführt. Zugegeben, in Gent kann man an beinah jeder Ecke Geschichte atmen. Aber die imposante Burganlage Gravensteen (Grafenstein), eine der größten Wasserburgen Europas, hat es mir besonders angetan.

Sie nahm mich gefangen und katapultierte mich geradezu ins Mittelalter. Das Innere der Burganlage, die in dieser Form seit 1180 existiert, war zu einem „Winter Wonder Castle“ umgewandelt. So befand ich mich plötzlich im weihnachtlichen Schloss des Jahres 1183. Der Graf von Flandern empfing den König von England und seine Familie mit prasselnden Kaminfeuern, inmitten von flackernden Kerzen und Instrumentalisten. Überall Musik und Licht, aber vor allem die alten Gemäuer, in denen auch ohne winterliche Inszenierung die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.

Später, als ich einmal im Sommer in Gent war, zog es mich wieder zu der Burg. Zuerst nahm ich sie auf einer Grachtenrundfahrt aus einer neuen Perspektive in Augenschein – vom Wasser aus wirkt sie noch eindrucksvoller! Im Anschluss stellte ich mich, wie so viele andere Gent-Reisende, auf die kleine Brücke, die über den Wassergraben führt. Hier machte ich das obligatorische Selfie vor der eindrucksvollen Kulisse dieser steinernen Trutzburg, deren unzählige Türme und Zinnen die Stadt überragen und die sich doch so harmonisch ins Stadtbild einfügt. Und dann zog es mich auch schon wieder ins Innere der Burg. Mit einem Movieguide ausgestattet machte ich mich auf die insgesamt 13 Etappen umfassende Entdeckungstour nicht nur durch die Burganlage, sondern auch durch die Sitten, Gebräuche und Geschichten aus dem 12. Jahrhundert.

Ich erfuhr, dass die erste Anlage auf dem Platz der heutigen Burg vermutlich von den Wikingern aus Holz errichtet wurde, aber schon um 1000 durch einen steinernen Saalbau ersetzt wurde. Nach Zerstörung der Burg im Jahr 1128 baute der damalige Graf von Flandern, Philipp von Elsass, die Anlage in seiner heutigen Form auf. Kaum zu glauben, dass dieses Schmuckstück zwischenzeitlich in eine Textilfabrik umgewandelt und nach der Französischen Revolution an eine Baumwollspinnerei verkauft worden war. Ende des 19. Jahrhunderts sollte die Burg sogar abgerissen werden. Doch die Stadt Gent verhinderte dies, kaufte die Burg zurück und konservierte sie notdürftig. Erst 1980 und in den folgenden Jahren wurde die Burg anlässlich der 800-Jahr-Feier der Stadt Gent vollständig restauriert.

Philipp von Elsass wollte in seiner Burg das Gefühl von Reichtum und Macht verewigen. Das ist ihm gelungen und das kann man heute wieder eindrucksvoll erleben, finde ich. Aber macht euch am besten selbst ein Bild. Werft einen Blick in den Burghof, die Flure und Kerker und schaut durch die Zinnen über die Stadt.

Und wer weiß, vieleicht läuft euch hier auch ein echter Ritter in die Arme – an manchen Wochenenden kann das gut passieren!

 

 

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