Flandern

Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Kim Devisschere – Back to the Roots

von Kirsten

Back to the Roots! Das sagte sich auch der junge belgische Sternekoch Kim Devisschere, nachdem er seine Kochkünste in den feinsten Restaurants erworben hatte. Das ganze Chi Chi, der ganze Trubel und vor allem die Atmosphäre und die Stimmung in den Sterne-Küchen waren nicht seine Welt. So entschied er sich, in Gent sein eigenes Restaurant aufzumachen, das „Roots“. Ich möchte euch den jungen Kitchen Rebell und seine Philosophie hier vorstellen.

Die Kitchen Rebels

Kim ist einer von mittlerweile über 50 Kulinarik-Rebellen, den jungen flämischen Spitzenköchen, die mit ihren kleinen, feinen Restaurants althergebrachte Konventionen der Haute Cuisine auf den Kopf stellen. Sie pfeifen auf piekfeine Kellner, luxuriöse Einrichtung, winzige Portionen für viel Geld. Stattdessen zeigen sie, dass es auch anders geht. Die „jungen Wilden“ bieten hervorragende Küche und tolle Geschmackserlebnisse in lässig-gediegenem Ambiente zu erschwinglichen Preisen. 

Kim Devisschere

Das Roots

In der Vrouwebroersstraat 5, einem der verwinkelten Gässchen des Genter Altstadtviertels Patershol, eröffnete Kim Devisschere im Januar 2016 das „Roots“. Aus dem Stand erhielt er dafür 14 Punkte im Gastroführer Gault & Millau. Da blieb keine Zeit zum Feiern, erinnert sich Kim heute. Schließlich sind die nur 25 Plätze in dem kleinen Lokal fast immer besetzt. Kein Wunder! Kim bietet das, was man neuzeitlich wohl „ehrliches Essen“ nennt: Fein angerichtete, kulinarisch raffinierte Gerichte, die aber zugleich absolut bodenständig sind und zu einem fairen Preis auf den robusten Holztisch kommen. Davon, dass hier nur frische Zutaten in Topf und Pfanne kommen, könnt ihr Euch bei einem Besuch sogar selbst überzeugen: Kim und sein junges Team lassen sich beim Arbeiten in der offenen Küche zuschauen.

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Die Chocolate Nation – Wie süß! Ein Museum zum Dahinschmelzen

von Kirsten

Kennt ihr den Film „Charly und die Schokoladenfabrik“? Ich war neulich in Antwerpen in einem neuen Museum, da musste ich unweigerlich an diesen Film denken. Nicht nur, weil sich hier alles um Schokolade dreht, sondern weil hier auch so herrlich verspielt-mechanisch gezeigt wird, wie Schokolade hergestellt wird. Schokoladenmuseen gibt es in Belgien ja schon ein paar. Aber die „Chocolate Nation“, die jetzt in Antwerpen eröffnet wurde, war selbst oder gerade für mich als Chocoholic ein besonderes Erlebnis. Und ich habe dabei sogar die Bekanntschaft mit Ruby gemacht – der Beginn einer sicher langen Freundschaft. Aber der Reihe nach:

Belgien ist ja bekanntlich Wiege und Herz der Schokoladenproduktion. Heute haben zwei der weltweit größten Schokoladenfabriken ihren Sitz in Belgien; Antwerpen ist einer der größten Importhäfen der Welt für Kakaobohnen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass man (auch und vor allem) in Antwerpen die Ergebnisse der Genussproduktion – ob maschinell oder handgemacht – an fast jeder Ecke probieren kann: Ihr findet hier Geschäfte von allen großen belgischen Schokoladenmarken und zahlreiche Chocolatiers bieten ihre von Hand gefertigten Genuss-Kreationen an.  

Das größte belgische Schokoladenmuseum der Welt

© Chocolate Nation
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Farbfilm vergessen? Bruegel kann auch Schwarz-Weiß

von Kirsten

Wer an Pieter Bruegel den Älteren denkt, hat meist seine farbenfrohen Gemälde vor Augen. Zwei Ausstellungen in Brüssel präsentieren in diesem Jahr eine ganz andere Facette: seine Zeichnungen und Druckgraphiken. Also: Bruegel in Schwarz-Weiß. Bruegel in klein und auf Papier. Klingt zunächst nicht so spannend. Ich muss ja zugeben, dass ich eine glühende Verehrerin von Bruegels großen, bunten Wimmelbildern bin. Ich war daher eher skeptisch. Würde es mir ebenso viel Spaß machen, Bruegels Welten auf zwei Farben reduziert zu sehen? Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Ja!

Ich habe den Praxis-Test gemacht und mir schon vor der offiziellen Eröffnung die Ausstellung „Druckkunst im Zeitalter von Bruegel“ im BOZAR in Brüssel anschauen können. Die zählt zu den großen Bruegel-Ausstellungen, die in den nächsten Monaten im Rahmen der Themenjahre „Flämische Meister 2018-2020“ zu sehen sind. Sie ist nicht nur zeitlich die erste, sie ist auch ein perfekter Einstieg ins Thema. Denn hier versteht man direkt, warum ein Maler wie Bruegel überhaupt in Schwarz-Weiß bzw. mit Druckgraphik arbeitete.

Einer der Gründe heißt schlicht: Marketing. Bruegel „eroberte“ die Welt damals nämlich nicht als Maler, sondern mit seinen gedruckten Zeichnungen. Dank der Erfindung des Drucks konnte sein Verleger und Drucker Hieronymus Cock die „Welten Bruegels“ vervielfältigen, sie relativ schnell und kostengünstig nach ganz Europa liefern und Bruegel so bekannt machen.

Flandern – das Silocon Valley des 16.Jahrhunderts

© Königliche Bibliothek Belgien

Die Erfindung der Druckmaschine damals war einfach revolutionär. Ein Effekt, den man heute mit dem von Facebook oder Instagram vergleichen kann. Flandern war damals DAS Zentrum dieser Revolution – also in etwa das Silicon Valley des 16. Jahrhunderts. Und so zeigt die Ausstellung auch diese spannenden Veränderungen der Zeit. Es entwickelten sich neue Geschäftsmodelle, Arbeiten italienischer Künstler konnten nun problemlos in anderen Ländern gezeigt werden, Trends gesetzt werden. Natürlich erfuhr ich in der Ausstellung auch einiges über die technischen Vorgänge des Drucks. Und nicht zuletzt sah ich faszinierende und teilweise wunderbar skurrile Arbeiten etwa von Albrecht Dürer, Jan Gossaert oder Maarten van Heemskerck.

Jan Gossaert, Caen en Abel © BOZAR

Nun freue ich mich umso mehr auf „Die Welt von Bruegel in Schwarz und Weiß“, wie die Ausstellung in der Königlichen Bibliothek Belgiens in Brüssel heißt, die ab Oktober dort zu sehen sein wird. Sie beeindruckt mich schon vorab durch die schieren Fakten: die Bibliothek zeigt ihren gesamten und einzigartigen Bestand an Bruegels Graphik.

Filigrane Schätze

Da Papier sehr empfindlich ist und die Arbeiten schon jahrhundertealt sind, können die Arbeiten nur sehr selten und wenn, auch nur für kurze Zeit präsentiert werden. Die Blätter müssen nach maximal vier Monaten wieder in den Tresor zurück und vor Licht geschützt werden. Im Falle von Bruegel weiß niemand, wann sie in diesem Umfang das nächste Mal hervorgeholt werden.  Besonders gespannt bin ich auf die Skizzen und Zeichnungen von Bruegel, die auch ausgestellt werden. Jahrhundertealte Papiere mit den Spuren der Zeit, auf denen er mit leichten, wunderschönen Strichen – entweder mit einer Feder oder einem Pinsel – die phantastischen Wesen, die wunderschönen Landschaften oder die beeindruckenden Kompositionen festgehalten hat. Die Zeichnung war für Bruegel oft ein Experimentierfeld. Hier konnte er Themen und Figuren für sich ausprobieren. Und manche davon nahm er schließlich – viel später – in seiner Malerei wieder auf.

Pieter Bruegel d.Ä., Die sieben Todsünden © BOZAR

In Schwarz-Weiß werden auf jeden Fall feine und besondere Einblicke in die Arbeit von Bruegel geboten. Diese bringen mir neben dem Faszinosum des „Exportschlagers“ Druckgraphik den Künstler wieder ein Stück näher.

Antwerpen, Flandern, Jan-Kai Vermeulen, Kulinarik, Neu auf dem Flandern-Blog

Diamanten: In der Stadt der Steinchen haben sogar Pralinen geschmacklich fast 18 Karat

von Jan-Kai

Antwerp Central ist kein Bahnhofshalt sondern ein Haltebahnhof. Er hält einen mit magnetischen Kräften fest. Ich stehe in der Empfangshalle, hingerissen von so viel Pracht: Jugendstil über und über, aufwändig vor ein paar Jahren renoviert. Nur nackenfreundlich ist die Halle nicht, so viel gibt es oben unter der riesigen Kuppel zu entdecken. Bei weltweiten Rankings unter den Edelsteinen der Bahnhöfe landet Antwerpen verlässlich in den Top 10, mindestens.

Antwerp Central Bahmhof mit seiner beeindruckenden Halle

Unangefochten ganz oben im Ranking ist Antwerpen als Diamantenstadt. 84 Prozent aller Rohdiamanten weltweit werden hier gehandelt. Vom Bahnhof zu den Diamantenbörsen sind es nur ein paar Schritte. Ich erwarte Glitzer und Glamour. Aber rund um die Houveniersstraat könnte die Anmutung nicht gegenteiliger sein: schmucklose Nachkriegsbauten, teils zehnstöckig, alles zwischen grau und beige, Videokameras, Sicherheitspatrouillen, eine winzige Synagoge dazwischengequetscht.

Antwerpen – eine Stadt voller Highlights

In der City komme ich nicht vorwärts. Ständig Highlights. Rubens-Haus, das Muss. Die Rubens-Kirche mit ihrem bombastischen Altar, vom Meister selbst designt. Der senkrechte Schuhkarton mit Namen Museum aan Stroom oder MAS. Der Edel-Chocolatier Goosens mit seiner „atypischen Diamantenkollektion“ (15 Pralinées, 22 Euro), geschmacklich nah an 18 Karat. Ein Stück weiter der Juwelier, der den Mikroklunker von 0,02 Karat für 39 Euro als „Souvenir-Diamant“ feilbietet. Mit einem Döschen Pralinen als Zugabe.

Ein neues Museum rund um Diamanten

Im neuen DIVA, dem Diamanten-Museum, prallt man auf unzählige glitzernde Preziosen, die früher aus dem Orient, aus Japan oder Indien im Hafen ankamen, besonders in den „goldenen Jahren“ im 16. und 17. Jahrhundert: Gold- und Silberarbeiten mit Steinen aller Art, teils fein, teils monströs. Ich lausche einem Hörspiel, mühe mich im Quiz um Historie und Rekordmarken der Diamantenwelt und küre mein Lieblingsteil: Ein modern wirkendes Portraitdöschen von 1900 als Halskette, aus purem Gold mit einem Smaragd und zwei Diamanten. Verwirrend ist die häufige Bezeichnung Email an den Ausstellungsstücken. Haben die fortschrittlichen Antwerpener vor hunderten Jahren schon gemailt? Niederländisch Email heißt Emaille.

Eindrücke aus dem neuen Diamanten Museum in Antwerpen, © DIVA, Sven Coubergs

Diva bedeutet bestimmt abgekürzt Diamanten van Antwerpen, oder? Die Museumsführerin guckt mich erstaunt an. Gute Idee, sagt sie, aber eigentlich sollte der Name nur die Glamour-Assoziation zu Diven ausdrücken. Als Mann bin ich übrigens sehr allein hier, es schlendern weitmehrheitlich Frauen umher. Designt hat das Museum der Innenarchitekt Gert Voorjans, der davor Mick Jaggers Anwesen gestaltet hat. Auch ein anderer Promi ist indirekt vertreten: Ex-Tennisprofi Ivan Lendl. Beim „Diamond Meeting“ in Antwerpen war als PR-Gag für vier Siege in Serie ein diamantenbesetzter Tennisschläger aus sechs Kilogramm Gold ausgelobt – schafft eh keiner, dachte man. Lendls Quadruple gewann und er hat das mäßig schöne 80er-Jahre-Racket dann dem Museum gestiftet.

© Diamondland

Angefixt vom musealen Juwelismus sind die Gouden Straatjes nebenan ein idealer Ort, um das Portemonnaie zu meucheln. In diesen Goldenen Sträßchen haben sich 15 Goldschmiede und Schmuckdesigner in kleinen schmucken Ateliers niedergelassen. Manchen darf man bei der filigranen Arbeit zusehen. Die Schmuckstücke von Gerhild Kirchner und Nadine Wijnants haben mir am besten gefallen. Beide schaffen den gestalterischen Spagat: Voluminöse, fast wuchtige Ringe und Reifen, auf der Oberfläche filigran und fast zart gestaltet.

Geschmackssache, sicherlich. Verfeinern könnte ich mein ästhetisches Urteilsvermögen bei Designer Robb Zilla. Denn da kann man sogar Abendkurse belegen. Damit man nachher, wenn man das kleine samtausgelegte Kästchen bei Kerzenschein herüberschiebt, sagen kann: „Schatz, hab ich selbst gemacht für uns.“ Ein nettes Spiel für zwei in der Stadt der Steinchen ist übrigens der Wettbewerb: Wer entdeckt mehr Einheimische mit winzigen Diamantpiercings im Gesicht?

Am nördlichen Ende Antwerpens glitzert der größte Klunker. Hier hat die irakische Stararchitektin Zara Hadid auf das alte Hafen-Verwaltungsgebäude ein kühnes schräges Etwas gebaut. Es hat die Form eines Diamanten, der im Sonnenlicht blinkt und blitzt. 500 Menschen, lese ich, haben hier innerdiamantene Arbeitsplätze gefunden – Besichtigung leider nur für Gruppen und mit Voranmeldung.

Die Füße sind platt. Mit knapper Not wieder am Bahnhof, der aber ausgerechnet auf Züge keine magnetisierende Wirkung hat. 20 Minuten Verspätung. In Brussel Midi wird ein Sprint nötig zum Anschlusszug.

Brüssel, Flämische Meister, Flandern, Kirsten Lehnert

Begegnungen mit Pieter Bruegel

von Kirsten

Neulich bin ich schmunzelnd aus einer Kirche gekommen. Warum? Weil ich dort eigentlich auf der Suche nach dem Grab von Pieter Bruegel war, stattdessen aber auf eine Reihe ungewöhnlicher Figuren stieß.

Bilder: Kapellerkerk, © Bowling Visit Flanders

Da ragten plötzlich kleine Beinchen aus einem Taufbecken, als wäre gerade ein kleines Männchen zum Schwimmen reingesprungen. Links neben dem Altar entdeckte ich ein behelmtes Wesen, das an einer Säule emporklettert als wolle es sich mit dem steinernen Totenkopf über ihm anlegen. Als ich den Engel sah, der über dem Altarraum in der Luft schwebt, da kam mir die Eingebung. Der Engel hatte nämlich verblüffende Ähnlichkeit mit einer Figur aus meinem Lieblingsbild von Pieter Bruegel „Der Sturz der rebellierenden Engel“.

Ich hatte bei meinem Besuch in Brüssel den Spuren Bruegels folgen wollen und war dabei zwangsläufig in der Kapellekerk gelandet. Der große flämische Meister, der damals um die Ecke dieser Kirche im Marollenviertel wohnte, hat hier geheiratet und wurde auch hier begraben. Aber zurück zu den Figuren. Ich fand nicht nur weitere skurrile Figuren dieser Art in der ganzen Kirche (manchmal muss man schon ganz genau hingucken), sondern am Eingang der Kirche auch die Erklärung dazu: Ein passendes Heft für diese Schnitzeljagd, in dem alle Figuren aufgeführt werden, die es zu finden gilt. Sie stammen allesamt aus Bruegel-Bildern und sind somit Appetithäppchen auf das Bruegel-Jahr, das 2019 anlässlich des 450. Todestags des Malers gefeiert wird.

Den Hunger stillen kann man übrigens nicht erst Ende Februar 2019, wenn die ersten der großen Sonderausstellungen in und um Brüssel eröffnen. Schon jetzt gibt es viele permanente Angebote rund um Bruegel in der Stadt.

Ständig da ist zum Beispiel die Bronzeskulptur direkt vor der Kirche, die den Künstler in Malerpose zeigt und die immer gut für ein Selfie ist. Nur wenige Meter weiter, in der Rue Haute 132, findet ihr das eher unscheinbare Wohnhaus von Pieter Bruegel. Einige Fußminuten von der Kirche entfernt, oben auf dem Mont des Arts, wo einst die mächtigen Mäzene des Künstlers residierten, findet ihr heute zahlreiche Werke von Bruegel im Original.

Die Königlichen Museen der Schönen Künste von Brüssel (KMSKB) etwa besitzen die weltweit zweitgrößte Bruegel-Gemäldesammlung. Hier habe ich mich nach dem ungewöhnlichen Kirchenbesuch noch mal richtig in die Kunst vertieft. Und ich habe tatsächlich einige Figuren aus der Kirche wiedererkannt. Denn schließlich hängt hier im Bruegel-Saal das Originalbild mit den rebellierenden Engeln. Wie viele andere Bruegel-Bilder ist es ein wahres Wimmelbild, das unzählige Geschichten erzählt. Manch winziges (und oft witziges) Detail bliebe einem vielleicht ewig verborgen, wären da nicht die „Unseen Masterpieces“. Das ist eine virtuelle Ausstellung in den KMSKB mit neun Touchscreens, die die Meisterstücke zeigt, wie ihr sie noch nie gesehen habt. Zusammen mit Google wurden 12 Meisterwerke renommierter Museen in einer unfassbar hohen Auflösung – megapixel-genau – aufgenommen und nun so präsentiert, dass man sich so weit in die Bilder hineinzoomen kann, wie man will. In einer „Bruegel Box“ könnt ihr sogar selbst in die Bruegelschen Bilderwelten eintauchen. Denn hier werden die Bilder flächendeckend an die Wände eines eigenen Musemsraums projiziert und erläutert.

Brüssel-Bruegel-Box

Noch ganz beglückt von diesem intensiven Kunstgenuss und von der Tatsache, dass ich so viele meiner neuen Bekannten aus der Kapellekerk wieder getroffen hatte, verließ ich auch das Museum schmunzelnd. Ich hätte nie gedacht, dass alte Meister so viel Spaß machen können!

Flandern, Kirsten Lehnert, Kultur, Mechelen

Farbenfroh und filigran. Ein Besuch in der Königlichen Manufaktur De Wit

Webstuhl, © Layla Aerts

von Kirsten

Heute möchte ich euch an einen ganz besonderen Ort in Mechelen führen, in einen mittelalterlichen Backsteinbau mit Erkern und Türmchen – die Abtei Tongerlo aus dem 15. Jahrhundert, die im Inneren ein Geheimnis birgt. Folgt mir also über den idyllischen Innenhof mit Buchsbaumhecken, durch eine einfache Holztür und werft einen Blick auf einen wirklich einzigartigen Arbeitsplatz. In den deckenhohen Regalen, die eine ganze Wand füllen, eine riesige Auswahl an farbigen Garnen. Was von Weitem wie ein großes Gemälde aussieht, ist eigentlich nur das „Materiallager“ eines Handwerksbetriebs. Aber hier wird eben nicht irgendwas repariert, hier geht es um außergewöhnliche Kunstwerke.

Wir sind zu Gast in der Königlichen Manufaktur De Wit. Das fast 130 Jahre alte Unternehmen reinigt, konserviert und restauriert alte Wandteppiche. Es ist sogar der weltweit führende Gobelin-Restaurator für Museen und eine der führenden Werkstätten für Privatkunden (doch halt, von Gobelins – so habe ich gelernt – darf man eigentlich nur sprechen, wenn diese aus der gleichnamigen Manufaktur aus Paris stammen. Das ist wie mit dem Champagner…). Bei De Wit sind die Wände übrigens nicht nur mit dem „Rohstoff Garn“ geschmückt. Hier findet Ihr auch als fertige Werkstücke, wahre Prachtexemplare der Teppichkunst. Schließlich besitzt die Königliche Manufaktur De Wit eine der weltweit prestigeträchtigsten Privatkollektionen an erlesenen Wandteppichen. Mit dieser Art von Showroom können andere Handwerker sicher nicht mithalten: Hier wandelt mandurch die wunderschönen Räume der alten Abtei wie durch ein Museum.

© Layla Aerts

Jahrhundertelang waren Wandteppiche der wichtigste Exportschlager des Landes. Vor allem die Herzöge von Burgund hatten mit ihrem luxuriösen Lebensstil die Produktion von Spitze und Wandteppichen in Flandern befördert. Heute ist diese alteingesessene Tradition des Teppichknüpfens kaum noch zu finden. Aber hier in Mechelen entstehen an riesigen Webstühlen neue textile Kunstwerke, an ebensogigantischen Tischen sitzen fingerfertige Restauratoren und Restauratorinnen in weißen Kitteln und legen filigran Hand an, reparieren und ziehen die metergroßen Kunstwerke auf stabile Rahmen.

Ein Handwerk mit Tradition

Auch Yvan Maes De Wit hat hier die Fäden in der Hand. Er ist Direktor der Königlichen Manufaktur De Wit und setzt in der vierten Generation die Familientradition von Gobelinwebern (upps, da ist es mir schon wieder passiert, aber ihr wisst, was ich meine) und Restauratoren fort, die schon die bedeutendsten und filigransten Tapisserien der Welt behandelt haben. So wird hier etwa regelmäßig die wichtigste Teppichsammlung der Welt, die französische Sammlung Monuments Historique & Mobilier National restauriert. Daneben haben bereits die berühmtesten Teppichsammlungen, etwa aus dem Rijksmuseum Amsterdam, dem spanischen Patrimonio Nacional und dem Kunsthistorischen Museums in Wien, ihren Weg in die Mechelener Werkstatt gefunden. 2003 wurden auch Stücke aus dem Bayrischen Nationalmuseum in München, der bekanntesten deutschen Teppichsammlung, von De Wit gereinigt.

Nicht nur durch die einzigartige Infrastruktur, die alle Aspekte der Behandlung antiker Wandteppiche innerhalb desselben Labors konzentriert, hat sich De Wit international einen Namen gemacht. Die Manufaktur spielt auch eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung neuer Techniken bei der Konservierung. Es wurde sogar eigens eine Stiftung eingerichtet, die sich zurAufgabe gemacht hat, die traditionellen und erprobten Handwerkstechniken für die Nachwelt zu bewahren.

Die königliche Manufaktur De Wit besuchen

Ihr könnt im Rahmen von Führungen selbst Einblick in diese Schatzkammer nehmen. Und zu bestimmten Zeiten, wenn das Restaurationsteam nicht arbeitet, kann man auch das Atelier besichtigen oder den Webern bei Webdemonstrationen über die Schultern schauen. Einzelbesucher können ohne Anmeldung immer samstags von 10.30 bis 12 Uhr vorbeischauen (nicht im Juli, zwischen Weihnachten und Neujahr sowie an Feiertagen) und an einer Führung teilnehmen. Gruppenbesuche sind nachvorheriger Anmeldung donnerstags, freitags oder samstags zwischen 9.00 und 15.30 Uhr möglich.

© Jan Smets
© Jan Smets

Beim Rausgehen empfehle ich noch mal einen Blick in den malerischen Garten: Ist euch aufgefallen, dass hier nur Blumen und Stauden angepflanzt wurden, die auch auf historischen Teppichen abgebildet sind? Diese Manufaktur ist eben ein Gesamtkunstwerk!

Flandern, Gent, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Gutes aus Gent: Wo der Himmel voller Schinken hängt

Für manche Menschen ist es das Größte, wenn der Himmel voller Geigen hängt. In meinen Augen (und in meiner Nase) ist es ein ebenso himmlisches Glück, wenn Schinken diesen Platz einnehmen. Das habe ich bei meinem letzten Besuch in Gent gemerkt, als ich das erste Mal im Vleeshuis war. Die alte Fleischhalle, ein eindrucksvolles Gebäude mitten im Zentrum der Stadt (Groentenmarkt 7), stammt aus dem 15. Jahrhundert und war früher ein überdachter Marktplatz.

Im Mittelalter war es verboten, in einem privaten Laden Fleisch zu verkaufen. Daher wurden die Prüfung der Fleischqualität und der Verkauf von Fleisch zentral organisiert. Vieles hat sich seitdem geändert, aber noch heute wird in Gent der Ganda-Schinken nach jahrhundertealter Tradition handwerklich hergestellt. Einige Exemplare – man könnte auch sagen Prachtstücke – ­ werden zum Trocknen und späteren Verkauf im Vleeshuis aufgehängt. An einem prächtigen offenen Holzgebälk, ein wahrhaft himmlischer Anblick. Ich habe gehört, dass selbst eingefleischte Vegetarier in der Veggie-Hochburg Gent davon beeindruckt waren. Schließlich sehen die Ganda-Schinken eh aus wie gemalt.

Großer Genuss auf engem Raum

Es sind aber nicht nur die Schinken, die Feinschmecker in die Alte Fleischhalle nach Gent locken. Ostflandern ist schließlich mit einer Vielzahl weiterer regionaler Produkte gesegnet, die von der EU unter Schutz gestellt sind. 175 solche traditionellen Spezialitäten findet ihr nun hier – alle unter einem Dach. Denn die große Fleischerhalle beherbergt heute das „Zentrum für ostflämische Regionalprodukte“ und bietet so flämische Genusskultur auf engstem Raum. Ihr könnt die regionalen Spezialitäten wie den malerischen Schinken nicht nur bestaunen, sondern auch kosten und kaufen. Ein beliebtes Mitbringsel aus Gent, das ihr hier ebenfalls bekommt, ist der Tierenteyn-Senf. Dieser wird seit 1818 im Familienbetrieb hergestellt und gehört mittlerweile zu Gent „wie die Currywurst zu Berlin“ ­– so erfuhr ich kürzlich in einem Reiseführer. Eine besondere Spezialität ist auch der ostflämische Bierkäse. An Bier kommt man in Belgien ja sowieso nicht vorbei, also warum nicht mal in dieser Form auf Brot genießen? Es ist daher auch kein großes Wunder, dass ihr hier eine Reihe ostflämischer Regionalbiere findet. Und dann wäre da noch der Korn O’de Flander, der mit einem Alkoholgehalt von mindestens 35 Prozent gebrannte Genever, den ihr in der Fleischhalle gleich von verschiedenen Herstellern bekommt.

Schneebälle und andere Leckereien

Wer es gern süß mag, der ist in der Alten Fleischhalle ebenfalls genau richtig: Hier gibt es die berühmten Genter Schneebälle, eine köstliche Süßigkeit mit einer Füllung aus Vanille, mit Zartbitterschokolade überzogen und in Puderzucker gewendet. Und natürlich Cuberdons! Das sind kleine, meist mit Himbeergelee gefüllte kegelförmige Süßwaren, die aussehen wie eine Nase und außerhalb von Belgien kaum erhältlich sind.  Wer sich nicht entscheiden kann, kann sich übrigens auch einen Geschenkkorb mit diversen Leckerbissen zusammenstellen.

Mein Tipp: Ihr könnt alles im dazugehörigen Restaurant gleich vor Ort kosten und dabei die Vielfalt der regionalen Köstlichkeiten probieren. Ich bin mit einem „Ostflämischen Frühstück“ sehr genussvoll und glücklich in den Tag gestartet. Denn schließlich hatte ich dabei auch ein Stück Himmel auf dem Teller.

Flandern, Kirsten Lehnert, Kulinarik

Back to Future – Das Brussels Beer Project

von Kirsten

Bier gehört in Flandern zur DNA, könnte man sagen.

Das liegt nicht nur daran, dass in Leuven der weltweit größte Brauereikonzern seinen Sitz hat. Sondern sicher auch an der unglaublich vielfältigen Brauerszene, die flämische Klosterbrüder, traditionsreiche Familienbetriebe, ambitionierte Feinschmecker und innovative Genusshandwerker umfasst und die für immensen Variantenreichtum und Aromavielfalt sorgt. In unzähligen Mikrobrauereien zeigen diese, dass Bier nicht gleich Bier ist. Kein Wunder, dass die UNESCO das belgische Bier 2016 zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt hat. Ein besonders mutiges und innovatives Brüsseler Brau-Unternehmen möchte ich euch hier vorstellen. Denn, wer macht schon Bier aus Brot und Brot aus Bier?

Brussels Beer Project Brasserie, © Brussels Beer Project

Das „Brussels Beer Project“

Es begann im Jahr 2013, als sich eine Gruppe leidenschaftlicher Bierliebhaber zum „Brussels Beer Project“ zusammenschloss. Das erklärte Ziel: neue Geschmacksrichtungen zu kreieren und die Grenzen des Bieres zu erweitern. Und das tut das BBP seitdem kräftig, mit der finanziellen Unterstützung von heute 2500 Crowdfundern und mit einer ganzen Menge Enthusiasmus und ökologischer Überzeugung. Seit 2015 betreibt die Gruppe eine eigene Brauerei in der Rue Antoine Dansaert in Brüssel und mischt die belgische Craft-Bier-Szene tüchtig auf. Nicht nur mit einer Reihe ausgefallener Biersorten – mit so klangvollen Namen wie „Wunder-Lager“ oder „Jungle-Joy“ – sondern vor allem mit dem „Babylone, dem ersten Bier, das aus Recyclingbrot gebraut wird.

© Brussels Beer Project

Damit stellt das BBP gerade unter Beweis, dass man in dem traditionsreichen Handwerk auch ganz schön innovativ sein kann. Dabei ist die Idee gar nicht so neu: Die Herstellungsmethode geht auf babylonische Zeiten vor 7000 Jahren zurück, als Bier durch den natürlichen Gärungsprozess aus Brot entstand. Unter dem Motto „Back to future“ verwerten die Bierbrauer vom BBP nun fermentiertes liegengebliebenes Weißbrot, mahlen es und brauen es mit verschiedenen Malzsorten und Hopfen ein. Das Ergebnis: ein bernsteinfarbenes, leicht trübes Bier mit einer Schaumkrone, die blumig, nussig, holzig und – wen wundert’s? – nach Röstaromen von Brot riechen soll. Probiert doch mal bei eurem nächsten Besuch in Brüssel, ob ihr auch die „Noten von Karamell und Pinie“ herausschmeckt, die Bierexperten dem Bier nachsagen.

Apropos schmecken:

Das BBP führt den Kreislauf zur Müllvermeidung und zum Umweltschutz sogar noch weiter: So werden auch die beim Brauprozess anderer Biersorten verwendeten Malzkörner (das größte Neben- bzw. Abfallprodukt der Bierindustrie) nach dem Aufbrühen wiederverwendet: Ziel ist es, 80% der verarbeiteten Körner zu trocknen, durch Upcycling wieder dem Ernährungskreislauf zuzuführen und somit bis zu 40 Tonnen Müll pro Jahr zu sparen. In zwei Partnerbäckereien wird aus diesem besonderen Mehl Brot gebacken. Ihr könnt euch die Körner oder das Mehl aber auch in der Schankstube in Dansaert abholen und zuhause selbst verarbeiten. Die passenden Rezepte für Kekse, Müsli oder Waffeln liefert das BBP gleich mit.  

Team des Brussels Beer Projects, © Brussels Beer Project

Was mich besonders freut: Das Brussels Beer Project ist nicht nur innovativ, sondern auch ziemlich erfolgreich: Mittlerweile gibt es sogar schon Standorte in Paris und Tokio. Und 2020 soll eine weitere Brauerei mit einer Produktionskapazität von bis zu 10 Millionen Flaschen im Brüsseler Vorort Anderlecht entstehen, ebenfalls wieder mit Unterstützung aus dem Internet.

Weitere Informationen zum Projekt findet ihr hier…

Brügge, Flandern, Kultur, Meike Nordmeyer

Zeitreise zu einem Weltreisenden – Besuch der Adornes-Domäne in Brügge

von Meike

Im Innenhof der Adornes-Domäne, einem mittelalterlichen Landgut in der Altstadt von Brügge, ist es ganz still. Auf der einen Seite ragt der Turm der Jerusalemkapelle weit in die Höhe, auf der anderen zieht sich das langgestreckte Herrenhaus entlang. Die Sonne zeichnet helle Streifen zwischen die Mauern des Gebäude-Ensembles, das weitgehend aus dem 15. Jahrhundert erhalten ist. Hinter einem Torbogen reihen sich kleine weißgetünchte Häuser mit blauen Türen und Fensterrahmen aneinander, dahinter liegt ein kleiner Garten. Im Frühling blüht hier weißer Rhododendron und Flieder sorgt für violette Farbtupfer.

 

Im Innenhof der Adornes-Domäne – ein beeindruckendes Gebäude-Ensemble aus dem 15. Jahrhundert. Foto: Meike Nordmeyer

Ich laufe langsam durch den Innenhof der Domäne und höre nur meine eigenen Schritte. Die Zeit scheint hier still zu stehen. Es könnte auch gleich der einstige Hausherr, Anselm Adornes, aus einer der Türen treten. Er lebte hier mit seiner Familie im Brügge des 15. Jahrhundert. Doch sehr oft war er auf diesem Landgut wahrscheinlich nicht anzutreffen. Denn er war jemand, der viel reiste und sicherlich immer wieder neue Pläne für weitere Touren schmiedete, da er als Diplomat und Geschäftsmann ein weites Netzwerk pflegte. Seine Reisen führten von Brügge aus häufig nach Schottland, wo er den schottischen König Jakob III. traf, oder nach Polen, nach Rom und Neapel.

Gemeinsam mit seinem Sohn Jan unternahm Anselm eine Pilgerreise nach Jerusalem. Jan machte während der gesamten Tour ausführliche Aufzeichnungen, von denen heute noch zwei Manuskripte erhalten sind. Ihre Reise nutzten die beiden, um auf dem Rückweg auch den Libanon, Syrien, Zypern, Rhodos und Brindisi zu besuchen. In heutigen Zeiten würde der Sohn über die Erlebnisse in der weiten Welt sicherlich bloggen, so sinniere ich, als ich aus der kleinen, aber sehr informativen Ausstellung komme, die hier über die Familie Adornes und besonders über Anselm, sein Wirken und seine Zeit informiert. Die Schau ist in den kleinen weißen Häusern untergebracht, den sogenannten Gotteshäusern, die einst zur Versorgung von armen, kranken und älteren Menschen und insbesondere für notleidende Witwen errichtet wurden.

Auf der linken Seite reihen sich die sogenannten Gotteshäuser aneinander. Diese und wohl noch einige mehr wurden einst aus Wohltätigkeit gebaut, um darin arme, kranke und ältere Menschen zu beherbergen und zu versorgen. Heute ist darin das Adornes-Museum untergebracht. Foto: Meike Nordmeyer

Die Familie

Die Familie Adornes stammt ursprünglich aus Genua, so habe ich in der Ausstellung erfahren. Opicius Adornes hatte sich im 13. Jahrhundert dem Gefolge des Grafen von Flandern angeschlossen. So kam er nach Brügge und gründete dort eine Familie. Schon bald gehörte diese der Aristokratie von Brügge an und spielte eine wichtige Rolle im Verwaltungs- und Wirtschaftsleben der Stadt. Der bekannteste Spross ist Anselm, der dann im fünfzehnten Jahrhundert zum einflussreichen Geschäftsmann, Diplomat und Ritter wird. In demselben Jahrhundert begann die Familie, ihre Domäne in Brügge zu errichten. Die Verehrung von Jerusalem prägte die Familie, das zeigte sich schon beim Vater von Anselm. So entstand der Plan, auf dem Landgut eine Jerusalemkapelle in Anlehnung an die Grabeskirche in Jerusalem zu bauen. Diese ist 1429 eingeweiht worden. Weiterlesen …

Flandern, Kirsten Lehnert, Kultur

Chambre Privée – Im Wohnzimmer mit den Flämischen Meistern

von Kirsten

Ward ihr schon mal bei einem Kunstsammler zuhause? Könnt Ihr euch vorstellen, wie jemand, der kostbare Bilder etwa von den Flämischen Meistern besitzt, diese in den eigenen vier Wänden anordnet? Hängt ein Brueghel über dem Sofa? Und gleich neben dem Fernsehsessel ein Brouwer? Sieht ein passionierter Kunstsammler überhaupt fern? Da möchte man doch gerne mal einen Blick durchs Schlüsselloch werfen.

Private Einblicke

Chambre Privée, © Peter Hinschläger

Ein 91-jähriger Kunstsammler erlaubt jetzt einen solchen, seltenen Blick in seine Privaträume. Das bedeutet nicht, dass er die kunstinteressierte Öffentlichkeit in Scharen durch sein stilvoll eingerichtetes heimisches Wohnzimmer laufen lässt – schließlich möchte der alte Herr auch gern anonym bleiben. Nein, seine kunstvoll bestückten Räume kommen ins Museum: als Pop-up-Wohnzimmer mit Originalbildern und mit Fotowänden, auf denen Ambiente und Atmosphäre des Sammler-Zuhauses eingefangen sind. Die Idee, Einblicke in die Wohnzimmer von Privatsammlern zu geben, hatte Sarvenaz Ayooghi, Gemäldekuratorin am Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen. Und sie entwickelte daraus das ungewöhnliche Ausstellungsformat „Chambre Privée“, das am 8. November mit der Schau der Flämischen Meister im Kaminraum des Museums startet. Drei Monate lang, bis zum 3. Februar 2019, sind dann die privaten Räume des Sammlers, der auf flämische und holländische Malerei spezialisiert ist, für Besucher „begehbar“.

 

 

Ihr seht opulente Blumenbouquets und Silberpokale, im Vitrinenschrank Meissner-Figuren und barocke Buckelgläser, auf der reich verzierten Rokoko-Kommode eine kostbare Empire-Tischuhr. Alles ist sorgsam arrangiert und gerahmt von gerafften Vorhängen – als beträte man ein Stillleben. Und dann wird der Blick gefesselt von den Gemälden an den Wänden. Hier hängen 14 echte Meisterwerke des 17. und 18. Jahrhunderts, darunter die „Seeküste mit Scipionengrab“ von Jan Brueghel d.Ä. oder die wunderschöne Berglandschaft von Paul Bril, aber auch Bilder von Ambrosius Bosschaert über Frans Snyders bis Adriaen Brouwer.

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